Australien

Hogwarts ohne Zauberei - aber mit viel Magie

Ein Beitrag aus Sydney.

Autoren: Paulina Poerters, Antonia Carlotta Niemann

In unserem Auslandssemester wurden wir mit vielen Kulturen konfrontiert und lernten sie näher kennen. Eine Menge vorherrschender Klischees und Vorurteile wurden bestätigt und auch aufgeräumt. Genau auf diese warfen wir einen genaueren Blick...

Drei Worte: Auslandssemester. Australien. Abenteuer. Genau das waren unsere ersten Gedanken, als wir die Nachricht erhielten, dass wir unser drittes Semester in Sydney verbringen würden.

Drei Monate am anderen Ende der Welt das Leben genießen und dabei noch ein ganzes Semester verbringen können? Besser ging es nicht. Es dauerte nicht lange, bis wir im Flieger saßen und uns nach der Landung auf direktem Wege zu unserem neuen zu Hause befanden. „International College of Management Sydney“, das klang schon nicht schlecht. Ein paar Stichworte bei Google eingegeben und man sah es vor sich: Das wohl imposanteste Gebäude, das wir in unserem Leben bisher gesehen hatten. Und genau hier sollten die nächsten drei Monate die wohl „internationalsten“ unseres Lebens werden.

Was passiert, wenn mehr als zehn verschiedene Kulturen junger Leute in einer völlig neuen Kultur aufeinandertreffen, um sich für eine gewisse Zeit an diese anzupassen? Ganz ehrlich: Eine einzige, internationale Party. Amerikaner, Norweger, Schweden, Italiener, Spanier, Chinesen, Japaner, Südkoreaner, Indonesier, Deutsche und natürlich Australier, alle im selben Alter und gebannt auf neue Erfahrungen, lernten sich von Tag zu Tag besser kennen.

Natürlich ist es kein Geheimnis, das hunderte von jungen Studenten, aus mehr als vier verschiedenen Kontinenten, sich Tag für Tag über kulturelle Unterschiede wundern und Vorurteile bestätigt oder auch widerlegt werden. So freuten sich spanische Studenten ungemein, wenn sich ihre deutschen Kommilitonen auf kurze Zeit in der spanischen Sprache versuchten, wenn auch mit mäßigen Erfolg. Im Gegensatz dazu bekam man von französischen Freunden einen eher schiefen Blick zugeworfen, wenn die eigene Landessprache falsch ausgesprochen wurde. Der Sprachaustausch allgemein jedoch wurde unter allen Kulturen als großer Spaß angesehen, jeder liebte es, etwas vom anderen zu lernen.

Die asiatischen Studenten an sich galten eher als Alleingänger. Während die meisten internationalen Studenten sich mit Vorliebe unters Volk mischten und neue Kontakte aus weit entfernten Ländern knüpften, blieben die jungen Leute aus dem fernen Osten lieber unter sich. Ging man jedoch auf sie zu und suchte das Gespräch, waren auch sie enorm freundlich und man konnte anregende Gespräche mit ihnen führen. Eine Schwierigkeit, die anfängliche Komplikationen im Gespräch zwischen asiatischen Studenten und anderen Nationalitäten erschwert haben könnte, mag die Tatsache sein, dass gerade Chinesen und Japaner in zwischenmenschlicher Kommunikation mit sehr wenig Körpersprache agieren und man ebenfalls eher weniger von ihren Gesichtsausdrücken während eines Gesprächs ableiten kann. Genau dieses Verhalten erschwert möglicherweise eine leichte Verständigung zwischen diesen verschiedenen Kulturen, was jedoch nach dem ersten Eindruck immer mehr abnahm, sodass nette Unterhaltungen stattfinden konnten und man immer häufiger zusammenkam.

Bei dem Versuch, kulturelle Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern festzustellen, sind es die Theorien des Kulturwissenschaftlers Geert Hofstede, die einem die direkten Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturen vor Augen führen.

So sagt dessen Theorie beispielsweise über die kulturellen Unterschiede zwischen den Staaten Deutschland und China aus, dass etwa die Trennung zwischen Berufs- und Privatleben in Deutschland stärker stattfindet als in China. Daraus schließen chinesische Bürger, dass die Deutschen weniger spontan seien als ihre eigene Kultur. Gerade diese kulturelle Dimension jedoch konnte während des Aufenthalts am International College of Management in Sydney vermutlich widerlegt werden, da junge Studenten auf einem Abenteuer wie diesem spontaner waren denn je, aus eigener Erfahrung kann besonders die deutsche Spontanität bestätigt werden.

Han (China) und Kathi (Deutschland) verbindet Dank der gemeinsamen Zeit in Sydney nun eine tiefe Freundschaft.

Neben den eher für sich bleibenden, asiatischen Studenten des internationalen Trimesters im September 2014 fanden auch viele Amerikaner ihren Platz im Auslandssemester im fernen Australien.   

Ein weit bekanntes Kultur-Phänomen der Amerikaner ist deren flüchtige, freundliche Verständigung bei der ersten Begegnung mit neuen Bekannten aus verschiedenen Ländern. So heißt es, man solle keinen Amerikaner zu wörtlich nehmen. Der Amerikaner redet gerne und viel - und oft mit sarkastischem Unterton, was bei richtigem Verständnis zu einer heiteren und humorvollen Unterhaltung werden kann. Jedoch ist es häufig der Fall, dass offensichtliche Herzlichkeit der Mitmenschen aus den Vereinigten Staaten nichts weiter ist als pure Höflichkeit, die ihnen mit in die Wiege gelegt wurde. So gilt das allgemeine „How are you?“ – „I´m fine“ zur Begrüßung und ein „See you later“ als ein Muss, dass zu jeder Begegnung dazu gehört. Gerade dieses Verhalten machte sich täglich im Campusleben bemerkbar. Die Floskeln zu Begrüßung und Abschied fehlten bei keinem Aufeinandertreffen mit den amerikanischen Kommilitonen, was letztendlich ein Klischee bestätigte, wenn auch natürlich ein positives und freundliches.

Kulturelle Unterschiede -  wir bemerkten viele, sowohl von Europäern, als auch von Mitmenschen aus Übersee. Doch selbstverständlich mussten auch wir uns die Frage stellen: Welche kulturellen Besonderheiten bemerkten andere internationale Studenten während ihres Auslandssemesters an uns Deutschen? Wir selbst konnten nur feststellen, dass vermutlich unser Zusammenhalt als Gruppe und die immer präsente Partylaune offensichtlich waren. Aber natürlich ließen wir, wenn auch unbewusst, unsere deutschen Sitten aus der Heimat des Öfteren zum Vorschein kommen. Genau um diese herauszufinden, kamen wir mit zwei Mitstudenten aus anderen Kulturen ins Gespräch. Und so stellen wir ihnen genau diese Frage, die uns schon die ganze Zeit über beschäftigt hatte: Welche kulturellen Vorurteile über das deutsche Volk wurden durch unser Verhalten am International College of Management bestätigt, welche wurden widerlegt?

Gruppenbild vor dem College.

Die achtzehnjährige Georgie aus Newcastle, welches weiter nördlich gelegen an der Ostküste Australiens liegt, hatte bei der Beantwortung dieser Frage viel zu lachen. „Ich dachte immer, dass das Klischee, die Deutschen seien so spießig und würden so viel nörgeln, sobald ihnen etwas nicht direkt in den Kram passt, stimmen würde. Das jedoch wurde völlig widerlegt! Ich habe so viele neue Freunde aus Deutschland gefunden, die hier alle ihr Auslandssemester verbringen. Alle Deutschen, die ich hier bisher kennengelernt habe, sind so freundlich, spontan und überhaupt nicht nörgelnd.“ Georgies Bekennung über ihre deutschen Freunde, zu denen wir auch dazu gehörten, freute uns natürlich über die Maßen. Das wir, als kleine deutsche Studenten in Australien, zumindest auf einem kleinen Fleck der Erde, eher negative Vorurteile über unsere Kultur aus dem Weg räumen konnten, war auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Der zwanzigjährige Tom aus Norwegen, ein weiterer Freund, den wir während unserer Zeit in Sydney kennenlernen durften, war belustigt über ein gewisses Klischee, dass für ihn bestätigt wurde. „Ich hatte vorher schon immer gehört, die Deutschen seien ein sehr feierwütiges Volk, die gerne und viel Alkohol trinken. Genau das habe ich hier auch so erfahren! Mit meinen neuen, deutschen Freunden konnte ich tolle Partys feiern, hatte immer viel Spaß und wir haben Geschichten erlebt, die ich sicher mit großen Lachern all meinen Freunden zu Hause erzählen kann. Das Vorurteil jedoch, die Deutschen seien ein sehr geiziges Volk, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Ich glaube, es gab hier keine Nationalität, von der ich mehr Drinks spendiert bekommen habe!“, erzählte uns Tom lachend. Im Großen und Ganzen gesehen, konnten wir also zufrieden sein mit dem Eindruck, den wir unseren internationalen Kommilitonen von unserer Kultur im Auslandssemester vermittelt hatten.

Gerade sprachliche Barrieren wurden von Anfang an so gut wie aus dem Weg geschafft. Jede Nationalität hatte das Vorhaben im Blick die Englischkenntnisse durch den Aufenthalt im fernen Australien zu verbessern und so half man sich gegenseitig bei Verständigungsproblemen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.

Über jede Nationalität, einschließlich all derer, die ihr Auslandssemester am International College of Management Sydney verbrachten, gibt es eine Menge vorherrschender Klischees, die jeden zu Vorurteilen verleiten - ob positive oder negative. Inwieweit jene Klischees stimmen oder während der Zeit des Auslandssemesters widerlegt wurden, stellten wir genauer fest, als wir jede Kultur, die wir während unseres Australiensemesters kennenlernen durften, einmal Revue passieren ließen.

DEUTSCHLAND

Von den Deutschen wird erwartet, dass sie sogar bei 32 Grad Celsius mit ihrer Lederhose und ihrem Dirndl um die Ecke rennen - und ja rennen, da sie als sehr ungeduldig und wenig entspannt gelten. Pünktlich, fleißig, sorgfältig, all diese gelten als die typisch deutschen Tugenden. Doch die Auslandsstudenten mussten diese Vorurteile über uns schnell über Bord werfen: Trotz der Tatsache, dass fast alle Deutschen auf dem Campus des International College of Management wohnten und somit den kürzesten Weg in die Vorlesungen hatten, kamen sie immer zuletzt. „Entschuldigung für die Verspätung“ kam dann als verhaltene Antwort, da der deutsche Student am frühen Morgen offenbar noch nicht begriffen hatte, wo er war und dass ihn, abgesehen von den fünf anderen Deutschen, niemand verstand.

Erst nach dem Unterricht, im Raucherbereich, sind die Deutschen das erste Mal am Tag Herr ihrer Sinne. Diese Energie wird dann zum Abstecken des Territoriums genutzt. Es dauerte nicht lange, und der Raucherbereich wurde von allen, sowohl internationalen als auch einheimischen Kommilitonen, „Little Germany“ getauft.

Während der Computerraum und die Bibliothek – „Little Asia“ – immer belegt waren, sobald es an prüfungsrelevante Projekte ging, wurde dann auf Google Translator gehofft, Copy and Paste – mal anders herum.

ASIEN

Kommilitonen aus dem fernen Osten haben den Ruf, sehr zuverlässig zu sein. Mit Fleiß und Freude sind sie mitten im Geschehen, sind weltoffen, wollen Neues kennenlernen, neue Orte erkunden und, so platt es klingen mag, wollen sie mindestens zehn Fotoalben mit Abenteuern füllen.

Klischee? Fehlanzeige!

Die Asiaten sind zwar sehr fleißig und auch zuverlässig, dabei belassen sie es allerdings auch meistens. Verbarrikadiert hinter Laptops und mindestens zwei Büchern findet man sie meistens in der Bibliothek oder im Computerraum. Obwohl sie insgesamt mindestens ein Drittel der Auslandsstudenten waren, waren sie bei Aktivitäten außerhalb der Universität deutlich in der Unterzahl. Zum Barbecue, zu Ausflügen oder dem wöchentlichen Besuch in den Kneipen Sydneys hat sich kaum ein Asiate verirrt und unters Volk gemischt. Alles in allem die besten Freunde bei Projektarbeiten, sonst glänzen sie eher durch vornehme Abwesenheit.

ITALIEN & SPANIEN

Italiener und Spanier sind temperamentvoll. Sie sind sehr emotional und reden am liebsten mit Händen und Füßen. Noch viel wichtiger: Sie haben die beste Küche der Welt und sind von Natur aus Genießer. Mit dieser Kombination wickeln sie jede Senhorita um den Finger.

Genau dieses Klischee wurde "mit Vollgas" bestätigt. Die meisten der mediterranen Europäer versuchten sich auf dem Futsal Feld mit dem Rest der Welt zu messen. Dabei ging es weniger um fußballerische Fertigkeiten, als darum, die „Cochones“ der eigenen Nation zu zeigen.  Da geht es laut zu, mit Körpereinsatz, viel Testosteron, nicht immer fair, aber mit viel Emotion und Spaß. Da die Frauenwelt meist eh keine Ahnung von dem „das Runde ins Eckige und das in 90 Minuten“ hat, überzeugten die weiblichen Zuschauer meist die Italiener und Spanier mit der größeren Klappe.

AMERIKA

In Amerika ist man ab 21 Jahren erst volljährig. Damit ist auch verbunden, dass man erst ab diesem Alter Alkohol trinken darf. Nun waren viele Amerikaner in ihrer Heimat noch fern vom Erwachsensein, in Australien allerdings nicht. Nun könnte man meinen, dass genau dies ausgenutzt wurde und sich die amerikanischen Studenten, ganz wie es an einem College in den USA zugeht, verhielten: Sex, Drugs and Rock´n´Roll und das nicht zu knapp. Das allerdings war nicht zu beobachten. Die Amerikaner waren eher selten zugegen. Die meiste Zeit waren sie unterwegs, zu Ausflügen in die Natur, shoppen in der Stadt oder entspannen am Strand. Blieben sie zu Hause am Campus, schauten sie gemütlich in Gruppen Filme und Serien hoch und runter. Man könnte meinen, nicht der Alkohol unter 21 Jahren, sondern der Konsum von Filmen sei verboten in den USA. Hohe Erwartungen an ein verrücktes und feierwütiges, amerikanisches Volk wurden nur in Teilen erfüllt.

SKANDINAVIEN

Vor Augen hat man bei dem skandinavischen Volk junge, blonde, überdurchschnittliche gutaussehende Menschen, die sehr weltoffen sind und immer ein Lächeln auf den Lippen tragen. Auf den ersten Blick wurde diese Vorahnung bestätigt. Nach und nach aber legten die Nordeuropäer ein anderes Gesicht auf. Wenn es ein Problem in der gesamten internationalen Gemeinschaft gab, hatte mindestens ein Skandinavier seine Finger im Spiel. Lügen und Intrigen brachten nicht immer positiven Schwung in die gesamte Gruppendynamik. Eine Nation in diesem ganzen kulturellen Mix musste ja schließlich für Aufruhr sorgen. Das taten die Skandinavier nicht zu knapp. Natürlich gab es auch bei dieser Nationalität mehrere erfrischende Ausnahmen, die die Regel bestätigten und hervorragend zum Rest der internationalen Gruppe passten. Neben diesem unvermuteten und ungünstigen Image, wussten sie dennoch, wie man sich beim Feiern in Szene setzt.

AUSTRALIEN

Die Gastgeber des gesamten Auslandsaufenthaltes sind bekannt für ihre Weltoffenheit und eine stetige Freundlichkeit, die sie jeder Person Tag für Tag entgegenbringen. Australiern wird nachgesagt, sie seien ein sehr entspanntes Volk und verbringen den Großteil eines jeden Tages hauptsächlich damit, am Strand zu entspannen und sich wenig Gedanken über Probleme und Sorgen des Alltags zu machen. Genau diese Klischees wurden an jedem einzelnen Tag des Auslandssemesters bestätigt. Die australischen Mitmenschen waren freundlicher als die meisten aus der Heimat, sie begegneten jedem mit einem Lächeln auf den Lippen und waren jederzeit offen für eine nette Unterhaltung oder spontane Unternehmungen. Um es nicht Faulheit zu nennen, verbrachten sie tatsächlich enorm viel Zeit damit, zu entspannen - sei es am Strand, im Park oder auf dem Campus-Gelände, und das zusammen mit den zahlreichen neuen Freunden aus aller Welt.

Nach einer aufregenden, erlebnisreichen und vor allem kulturell bunten Zeit am anderen Ende der Welt im australischen „Hogwarts“, können zwei abenteuerlustige deutsche Studentinnen durchaus sagen, das International College of Management Sydney bescherte uns die beste Zeit unseres Lebens. Ein Aufeinandertreffen so vieler verschiedener, internationaler junger Studenten aus vier verschiedenen Kontinenten, brachte aufregende Ausflüge, lustige und unvergessliche Partys, interessante Gespräche, unterhaltsame gemeinsame Projektarbeiten und Vorlesungen und - vor allem - eine Menge internationaler Freundschaften fürs Leben. Ein besonders treffender Satz, den eine amerikanische Kommilitonin auf der abschließenden Feier der internationalen Studenten in ihre Rede einbaute, umschrieb den gesamten Aufenthalt und deren Folgen sehr treffend: „Thank you for making my world a little smaller by giving me friendships for life all over the whole planet.“ Genau dieser Satz beschreibt die Magie, die wir internationale Studenten in unserem Schloss in Sydney erfahren durften.

Wie in Hogwarts - ohne Zauberei, aber mit viel Magie.