Wasserball

Abgetaucht

Wer professionelle Strukturen schaffen will, braucht finanzielle Mittel. Fehlen diese, dann zählt eine andere Währung: Leidenschaft. Von Spielerinnen und Funktionären, die alles für ihren Sport geben – und denen Spaß wichtiger ist als Geld.

Autor: Roman Gerth

Bereits der erste Angriff des Spiels zwischen dem Eimsbütteler TV und dem SV Nikar Heidelberg sorgt für Wirbel. Wasser spritzt, mehrere Spielerinnen kämpfen um den Ball. Eine Spielerin setzt sich durch, dann schreit sie auf. Die Zuschauer in der Schwimmhalle am Inselpark wissen nicht warum. Für sie nicht zu erkennen hat es einen Tritt unter Wasser gegeben – so die Entscheidung der Schiedsrichter. Es entwickelt sich eine intensive Partie, Bälle donnern gegen Torpfosten und sorgen für große Fontänen. Nur 60 Fans haben sich in der Arena verloren. Kaum jemand nimmt Kenntnis von dem, was die Wasserball-Damen des ETV Hamburg an diesem Samstag in Wilhelmsburg spielen. Die Sportart ist so unsichtbar wie die Szenen, die sich unter der Oberfläche abspielen.

Viel Tradition, wenig Aufmerksamkeit

„Wasserball kenne ich, das habe ich auch schon im Urlaub gespielt, mit so einem aufblasbaren Ball“, sagt Hanna Granel und lacht verschmitzt. „So etwas höre ich häufig aus meinem Bekanntenkreis. Das hat natürlich nichts mit dieser Sportart zu tun“, stellt die Abteilungsleiterin Schwimmen und Wasserball des ETV klar. Mit dieser Einschätzung kämpft Granel nicht allein. Die älteste olympische Mannschaftssportart hat zwar eine lange Tradition, in der Öffentlichkeit findet sie dennoch kaum statt. Wenig ungewöhnlich, es handelt sich nun einmal um eine Randsportart. Trotzdem arbeiten alle Beteiligten - im Rahmen ihrer Möglichkeiten – professionell. Der ETV hat eine Damenmannschaft sowie Jugendmannschaften aller Altersklassen für Mädchen. Die Spielerinnen trainieren vier Tage in der Woche. Dazu kommt alle zwei Wochen ein Spiel. „Der Sport spielt in meiner Planung die Hauptrolle“, sagt Stefanie Ahl, Offensivspielerin des ETV. Momentan studiert die 29-Jährige an der Universität Hamburg. Selbst der Berufseinstieg soll nichts daran ändern, dass „meine Priorität auf dem Wasserball liegt“. Ahlf erzählt all das so, als könne sie ihren Lebensunterhalt damit finanzieren. Davon ist sie allerdings weit entfernt. Wie all ihre Mitspielerinnen muss sie sich dem gewöhnlichen Arbeitsrhythmus anpassen. Sie studieren, gehen zur Schule oder ins Büro. Die Spielerinnen verdienen mit ihrem Sport kein Geld, sogar ihre Ausrüstung müssen sie selber zahlen.

„Was in Deutschland im Allgemeinen und in Hamburg im Speziellen fehlt ist der Erfolg“, sagt Granel. Nur so könnten notwendige Sponsoren aufmerksam werden und investieren. Um erfolgreich zu sein, braucht es finanzielle Mittel. Da diese fehlen, bleibt auch der Erfolg aus – „es ist ein Teufelskreis“, resümiert die Abteilungsleiterin. Ganz so düster sieht es jedoch nicht aus für die Damen des Eimsbütteler TV. Im vergangenen Jahr wurden sie Dritter beim Deutschen Wasserballpokal. „Und schon interessierten sich einige Leute von sich aus für uns. Uns wurde sogar ein großer Zeitungsartikel gewidmet“.

„Faszination Wasserball“ – auch wenn das Geld fehlt

Gründe dafür, warum „Handball im Wasser“ meist keine Erwähnung in einschlägigen Medien findet, gibt es einige. Vieles passiert, selbst für den geübten Zuschauer kaum erkennbar, unter Wasser. „Dem Wasserball wird häufig eine extreme Härte unterstellt. Sicherlich geht es richtig zur Sache, und zwar genau dort, wo dem Publikum der Blick verwehrt bleibt“, erläutert Granel. Das Fernsehen überträgt einige Partien bei den Olympischen Spielen oder anderen internationalen Turnieren mit Hilfe von Unterwasser-Kameras. Der Zuschauer könne zwar weiterhin nicht erkennen, warum der Schiedsrichter manche Situationen unterbindet und andere weiterlaufen lässt. Er sehe aber, was unter der Wasseroberfläche geschieht (siehe Infokasten „Regeln“ am Seitenende).

Weiterhin ist es kaum möglich, die Spiele live zu verfolgen. Zwar wurde die Halle in Wilhelmsburg im Rahmen der Bundesgartenschau gebaut und ist nun gar Landesleistungszentrum Wasserball. Mit 199 Plätzen bietet es aber trotzdem zu wenig Platz für großes Zuschaueraufkommen. „Es lohnt sich für Sponsoren und die Medien nicht, da am Event selbst nur wenige zuschauen“, sagt Thomas Schlünz, Fachbereichsleiter Wasserball im Hamburger Schwimmverband. Auch Hallenzeiten sind rar. Trotz des Leistungszentrums müssen diese gekauft werden. Die Konkurrenz mit anderen Sportarten ist groß und das Geld knapp. „Wasserzeiten sind beschränkt vorhanden und das Budget zu knapp“, weiß auch Hanna Granel (siehe Infokasten „Das Wasser-Problem“).

Die Spielerinnen stört es nicht, für sie steht der Sport im Vordergrund. „Wir sind wie eine Familie, der Großteil meines Freundeskreis habe ich im Sport“, sagt Ahlf. Die Studentin ist, wie viele andere auch, über das Schwimmen zum Wasserball gekommen. „Natürlich sehe ich, dass ich trotz ähnlicher Anstrengung im Vergleich zu anderen Leistungssportlern anders behandelt werde. Das kann nicht die Intention sein, wenn man diesen Sport betreibt. Ich war von vornherein fasziniert. Wenn Ahlf das sagt, hat sie ein Strahlen im Gesicht. „Für mich hat Geld dabei nie eine Rolle gespielt. Ich gebe für Wasserball viel her – und das mache ich sehr gerne“.

Kosten für den Verein entstehen trotzdem – eine Saison kostet rund 30.000 Euro. Auf die Frage, wer den teuren Spielbetrieb finanziert, kennt sie die Antwort: „Wir sind ein Breitensportverein. Die Mitglieder, die Beitrag zahlen, aber wenig kosten, ermöglichen uns den Leistungssport. Das ist aller Ehren wert“. Um an zusätzliche Einnahmen zu gelangen, hat die Abteilung einen Förderverein gegründet.

Der ETV lässt sich von diesen widrigen Bedingungen nicht unterkriegen. „Unsere Jugendarbeit geht gut voran. Seit einigen Jahren trägt sie erste Früchte“, sagt Granel zufrieden. Ein gutes Beispiel dafür ist Charlotte Benckert. Sie spielt bei den Damen in der Bundesliga und ist im erweiterten Kader der U19-Nationalmannschaft (siehe Interview).

Männer dürfen, Frauen können

Nur die Damen des ETV spielen in Hamburg erstklassig. Die Eimsbütteler selbst haben kein Männerteam. Dennoch können männliche Wasserballer in der Hansestadt „Handball im Wasser“ spielen. Der SV Poseidon, ebenfalls zum Training und den Spielen in Wilhelmsburg, hat eine sehr gute Saison in der 2. Bundesliga Nord hinter sich. Die Mannschaft hat nur knapp den Aufstieg verpasst. Dagegen haben die Jungs vom HTB 62 den Abstieg verhindert. Das Stadtduell gegen den SV Poseidon wird es also in der nächsten Saison weiterhin geben. Die U17 des HTB spielt zudem seit zwei Jahren in der höchsten Spielklasse. Der Wasserball-Nachwuchs spielt ebenfalls eine große Rolle in Hamburg. Seit diesem Jahr ist hier der Jugendstützpunkt des Deutschen Schwimmverbandes angesiedelt.

Die Hamburger Damen verlieren ihr Spiel gegen Heidelberg mit 4:8, dennoch ist die Stimmung im Team gut. Abschließend geht es zum gemeinsamen Essen. „Die Gemeinschaft spielt eine große Rolle“, betont auch Granel noch einmal. Deshalb steht nach dem Spiel noch ein Termin an. Ein gemeinsames Essen als Lohn für ein Wasserspiel in der Bundesliga.


Wasserball - so läuft das:

Bei den Spielregeln werden die Ähnlichkeiten zum Handball deutlich. Hier findet ihr die wichtigsten Regeln zusammengefasst:

Das Spielfeld:

Herren: 30 mal 20 Meter – Frauen: 25 mal 20 Meter

Zwei-Meter-Linie: Im Angriff darf kein Spieler hinter dieser rot markierten Linie stehen. In diesen Raum darf aber hineingeschwommen werden. Passen innerhalb dieses Bereiches ist ebenfalls erlaubt.

Fünf-Meter-Linie: Vor der gelb markierten Linie dürfen Freiwürfe direkt, dahinter müssen sie indirekt verwandelt werden. Außerhalb darf der Torhüter dort beide Hände zur Abwehr benutzen. Von hier wird auch der Strafwurf ausgeführt.

Wechselraum: Bereich an der Ecke des Spielfeldes, über den die Spieler das Feld verlassen und betreten

Zum Spiel:

Mannschaftsstärke: Gespielt wird 7 gegen 7, also 6 Feldspieler und ein Torwart. Wie beim Handball darf fliegend gewechselt werden.
Spielzeit: 4 mal 8 Minuten (2 Minuten Pause nach dem ersten und dritten Viertel, 5 Minuten Halbzeitpause). Bei jeder Unterbrechung halten die Zeitnehmer die Uhr an. Die Angriffszeit beträgt 30 Sekunden.

Spielball: Der Ball ist bei den Herren etwas größer als bei den Frauen. Das Spielgerät ist etwas größer und schwerer als ein Volleyball und zur besseren Griffigkeit beschichtet (ähnlich einem Basketball). Die Spieler dürfen den Ball nur mit einer Hand fangen und werfen.

Schiedsrichter: In der Regel gibt es zwei Schiedsrichter, einer auf jeder Längsseite des Spielfeldes. In Deutschland stehen die Unparteiischen direkt am Beckenrand, international sitzen sie zur besseren Übersicht etwas erhöht.

Einschränkungen: Im Vergleich zum Handball gibt es beim Wasserball keine „verbotene Zone“. Der Torhüter darf die Mittellinie nicht überqueren.

Strafen:

20-Sekunden-Strafe: Bei härteren Fouls erhält der Spieler eine 20-Sekunden-Strafe. Bei der dritten Strafe ist er für das Spiel gesperrt, die Mannschaft darf aber weiterhin vollzählig weiterspielen.

„Rolle“: Die Bezeichnung ist an das Handzeichen des Schiedsrichters angelehnt. Bei schweren Fouls ist der Spieler für die laufende und die nächste Partie gespielt. Das Team muss 20 Sekunden in Unterzahl spielen.

„X“: Auch diese Bezeichnung ist an das Schiedsrichter-Zeichen angelehnt. Für sehr schwere und brutale Fouls (zum Beispiel Schlagen über Wasser) erhält der Spieler eine Sperre für das laufende und zwei weitere Partien. Das Team muss vier Minuten in Unterzahl spielen, außerdem wird dem Gegner ein Strafwurf zugesprochen.