Mein Revier, der Hafen: Ein Fischer zwischen Containerriesen

Olaf Jensen ist einer der letzten Elbfischer. Seit 30 Jahren geht er zwischen Landungsbrücken und Finkenwerder einem aussterbenden Beruf nach, welcher auch seine Risiken mit sich bringt.

Autor: Ole Lucassen

Es ist 2:48 Uhr am Morgen. Olaf Jensen setzt sich mit wasserfestem Anzug, Gummistiefeln und seiner grauen Schiebermütze in sein Boot. 5,20 Meter lang ist sein treues Gefährt, die „Butt“. Der 56-jährige schaltet die Bordscheinwerfer an, zieht kräftig an der Leine seines Motors und fährt langsam vom Finkenwerder Steendiekkanalraus raus in Richtung Hafen.

Während es vor 100 Jahren noch weit mehr als hundert Fischer auf der Elbe gab, gibt es heute kaum noch welche. Olaf Jensen ist einer von drei Berufsfischern in Hamburg. „Angefangen habe ich ja gleich nach der Geburt.“, erzählt der Fischer. Schon als Kind ist er in einer Fischerfamilie aufgewachsen. In jungen Jahren ist er bereits aufs Meer gefahren und hat beim Fischen geholfen. Gelernt hat er dies in Dänemark.
Nach der Schule hat er in den 70er-Jahren an der Universität Hamburg Geschichte und Politik studiert. Das Studium gefiel ihm aber nicht, weswegen er abbrach und sich wieder dem Fischen widmete. Diesmal als Hauptberuf.

Seitdem fährt Olaf Jensen jeden Tag unter der Woche auf die Elbe. Sein festes Revier auf der Elbe reicht von Lauenburg in Schleswig-Holstein bis Cuxhaven kurz vor der Mündung in die Nordsee. Ab und zu fährt er auch auf die Ostsee hinaus. Sein Revier reicht dort bis hin nach Kiel. Von seinen Fängen kann er gut leben. Zudem arbeitet seine Frau und hilft ihm regelmäßig. Samstags räuchert er seine Fänge in einem kleinen Holzschuppen in Finkenwerder. Hauptsächlich besteht sein Fang aus Aalen. Im Frühjahr zusätzlich noch Hering, Scholle und Dorsch, im Herbst mehr Zander. Sonntags steht er wie viele andere Fischer auch auf dem Fischmarkt und verkauft die Reste, die er am Vortag nicht verkauft hat.

Die Elbfischerei war lange umstritten. So erzählt der Fischer, dass „der Ruf der Elbe immer noch nicht so gut ist, wie er eigentlich sein müsste.“ Bis 1961 gab es kein Klärwerk in Hamburg. Industriebetriebe leiteten über Jahrzehnte Schadstoffe und Abwässer in die Elbe. Von übermäßigem Verzehr von Fisch wurde abgeraten. Erst nach der Wende hat sich das verändert. Schadstoffe wurden nicht mehr in die Flüsse geleitet und Klärwerke modernisiert. Seitdem wurde die Wasserqualität der Elbe immer besser. Mittlerweile kann man Fisch aus der Elbe wieder problemlos essen.

Neben der Gefahr von damals, gibt es sonst kaum welche im Hamburger Hafen. Angst müsse der zweifache Familienvater nur zwischen den Containerriesen haben. Über die Jahre ist es im Hafen nicht voller an Booten geworden, aber Zoll, Hafenpolizei und Containerschiffe bedeuten schon Stress. Man muss aufpassen, wo man langfährt, damit man nicht von größeren Booten gerammt wird. Im August 2012 wurde Olaf Jensen von einem viermal größeren Schlepper als sein kleines Boot umgefahren. Er geriet unter Wasser und konnte sich mit letzter Kraft an Land retten. „Den Schock habe ich sehr schnell weggesteckt. Am nächsten Morgen bin ich gleich wieder raus auf die Elbe, aber mit einem anderen Boot“, berichtet er. Seine „Butt“ wurde repariert und mittlerweile schippert er wieder auf der Elbe damit rum.

Bis zu 40 Kilometer täglich lenkt der passionierte Fischer sein Boot durch den Hafen. Er bekommt oft die Frage gestellt, ob es nicht idyllisch im Hafen sei. „Natürlich genießt man das. Irgendwo ist es ja schon eine Idylle. Aber von Idylle allein kann man nicht leben. Man muss schon was ran bringen“, antwortet er meistens.

Er öffnet die Tür seines Räucherofens und wirft einen prüfenden Blick rein. Die Aale sind fertig. Er reibt sich kurz die Hände, richtet sich kurz seine Schiebermütze und nimmt die Fische aus dem Ofen. Zufrieden schmunzelt er vor sich hin: „Hätte ich keinen Spaß bei dem, was ich tue, dann würde ich das nicht seit 30 Jahren tun.“