So schön kann Rudern sein – oder auch nicht!

Autor: Lisa Helinski

Rudern ist kinderleicht – dachte DIGGER-Reporterin. Dass es dafür aber mehr braucht, als nur ein Boot und ein Paddel, merkte Lisa Helinski bei ihrem Selbstversuch beim Hamburger Ruderinnen-Club

Das Wappen des Ruderinnen-Clubs

Aufrechter Sitz, gleichmäßige Bewegungen, die Blätter tauchen in regelmäßigen Abständen ins Wasser ein. So sieht es aus, wenn die Ruderer auf der Alster über das Wasser gleiten. Sport und Idylle. Dass das viel Übung braucht, um es so aussehen zu lassen, war mir nicht klar, als ich mich zu meinem Selbstversuch zum Rudern aufgemacht habe.

Auch ich wollte in mal einem Ruderboot sitzen, den Wind in meinen Haaren spüren, die so genannten Skulls kraftvoll ins Wasser stechen und über die Alster fahren. Die Realität sah anders aus.

Das ist das Bootshaus des Ruderinnen-Clubs

Für meinen Versuch habe ich mir den Hamburger Ruderinnen-Club ausgesucht. Es ist der einzige reine Frauenruderclub in Hamburg und mit fast 390 Mitgliedern der fünftgrößte. Die erste Vorsitzende des Clubs, Britta Warner, nahm sich meiner an und erklärte mir alles übers Rudern und den Club.

Es ist ein grauer Tag, bewölkt und regnerisch, ganz anders als in meiner Fantasie. Trotz des schlechten Wetters kommt Frau Warner pünktlich um 10 Uhr auf dem  Fahrrad angeradelt. „ Ein echter Ruderer rudert bei jedem Wetter, wir bevorzugen allerdings auch den Sonnenschein“. Bevor wir loslegen, zeigt mir Frau Warner den Club.

Der Hamburger Ruderinnen-Club wurde 1925 gegründet. Damals gab es in Hamburg ausschließlich Rennrudervereine, in denen Frauen nicht aufgenommen wurden. Doch auch damals gab es schon sportinteressierte Frauen, die bereits an Internen Regatten teilnahmen und durch familiäre Bindungen etablierten Clubs nahe standen. Um sich besser organisieren zu können und den Sport richtig auszuüben, wurde ein Antrag beim Hamburger Ruderverband gestellt. Die Frauen wollten eine Damen-Ruder-Riege gründen, der Antrag wurde angenommen.

Auch heute ist die Nachfrage, ausschließlich unter Frauen zu rudern, noch groß. „Frauen wollen ihr eigenes Ding machen, fühlen sich wohler ,Neues auszuprobieren, ohne sich eventuell dem männlichen Spott auszusetzen“, sagt  Warner. „Wer in Hamburg rudern möchte, hat die Wahl.“ Bei knapp 5800 Ruderern gibt es 21 Ruderclubs an der Alster und der Elbe. Auch drei reine Herrenvereine befinden sich darunter.

Bevor ich mich ins Boot setzte, muss ich erst einmal aufs Ergometer. Im Groben führe ich auf diesem Sportgerät die Bewegung aus, die ich später im Ruderboot machen werde. Ich drücke mich zuerst mit den Beinen nachhinten, dann ziehe ich die Arme an den Körper, dabei probiere ich aufrecht zu sitzen:“ Es sieht gar nicht so schlecht aus,“ merkt Frau Warner an. Sie korrigiert noch meine Handhaltung,bevor ich bereit bin, um richtig im Boot zu rudern!

Frau Warner saß bereits mit 14 Jahren das erste Mal im Boot „Als Kind ist es einfacher das Rudern zu erlernen, Kinder machen sich nicht so viele Gedanken und tun, was man ihnen sagt.Aber auch Erwachsene kommen gerne zu uns und fangen selbst im hohen Alter noch an zu rudern.“ Die älteste„Beginnerin“, die im Hamburger Ruderinnen-Club den vier Wöchigen Anfängerkurs absolviert hat, war 70 Jahre alt. Frau Warner selbst rudert seit 56 Jahren und ist deshalb genau die richtige Person, um mir einen ersten Einblick, in die Sportart zu gewähren.

Zufrieden mit meiner Performance auf dem Ergometer, bin ich mir jetzt sicher, dass im Boot nicht viel schief gehen kann. „Dich setzen wir in ein Ruderboot, das unsinkbar ist“, versichert mir Frau Warner und so lassen wir den so genannten „Trimmy“ zu Wasser. Dieses Ruderboot unterscheidet sich zu den herkömmlichen Rennbooten, es ist wesentlich breiter.

Schon der Einstieg ist eine große Herausforderung. Nur weil der Trimmy ein bisschen breiter ist, heißt das nicht, dass er im Wasser liegt wie ein Kanu und ein gemütlicher Einstieg garantiert ist. Frau Warner hält das Boot fest, sie sagt mir, wo ich meinen Fuß hinstellen muss, und wie ich mich in das Ruderboot setzen soll. Ich sitze, die erste Hürde ist geschafft. Das Boot ist noch am Rand angelehnt und wackelt nicht zu sehr, ich fühle ich mich gut und bin bereit los zu rudern. Damit ich nicht davon treibe hat Frau Warner eine Leine an dem Ruderboot befestigt, worüber ich im Nachhinein noch glücklich sein sollte.

Frau Warner gibt mir die letzten Anweisungen, bevor es losgeht

Frau Warner erklärt mir, wie ich meine Daumen, Hände und Beine zu halten habe, wir simulieren erneut die Bewegungen, noch immer angelehnt an den Steg. Schon jetzt ist mir klar, so einfach wird das nicht werden. „Rudern ist ein technischer Sport“, spätestens jetzt hatte ich das auch gemerkt.

Die Trockenübungen habe ich gemeistert, Frau Warner stößt mich nun ein Stück Weg vom Steg. Mein Herz klopft, ich stoße einen leisen Schrei aus, das Boot wackelt sehr. Souverän ist anders. Ich bin kurz davor abzutauchen! Ich probiere die Blätter der Skulls waagerecht auf das Wasser zu legen, um Halt zu bekommen. Das gelingt mir ganz gut. Erst mal durchatmen. Erst jetzt kann ich mich wieder auf Frau Warners Anweisungen konzentrieren. Sie erklärt mir erneut die Sitzhaltung, aber das ist noch nicht alles. Die Blätter sollten beim Durchzug senkrecht durchs Wasser geführt werden, ich allerdings rudere in der Luft. Es sind so viele Dinge, auf die ich achten muss, ich bin gänzlich überfordert!  Nach einiger Zeit zieht mich Frau Warner an der Leine wieder an den Steg, alleine wäre ich dort nie hingekommen.

Ausgestiegen und erfreut nicht gekentert zu sein kann ich sagen, dass mir das Rudern Spaß gebracht hat. Sobald man sicher im Boot sitzt und ein Gespür für diesen Sport bekommt, kann ich mir vorstellen, was viele Ruderer an diesem Sport fasziniert. Jedoch lernt man den nicht in einer Stunde, es braucht Geduld und Übungen, die verschiedenen Abläufe auch von der Koordination richtig hinzubekommen. Es sind viele Kleinigkeiten, auf die es zu achten gilt.

Der Namenskatalog einiger Boote

„Rudern ist ein Sport, der Generationen verbindet“, sagt Frau Warner. Im Ruderinnenclub in Hamburg ist es üblich, dass mehrere Generationen dem Verein angehören. Das verleiht dem Verein eine spürbar vertraute Atmosphäre. Besonders fand ich den Aspekt der Mini Mitgliedschaft. Töchter von Ruderinnen können in jungen Jahren Mini Mitglied werden und bekommen dann eine Patin an ihre Seite, welche die jungen Mädchen ans Rudern heranführt.

Als Leistungssport wird das Rudern hier nur begrenzt ausgeübt. Zwar gibt es auch eine Juniorin, die  bei der bevorstehenden Junioren Ruder Weltmeisterschaft im August in Hamburg an den Start geht, trotzdem ist der Ruderinnen-Club schwerpunktmäßig als ein Breitensportverein einzuordnen.

Nachdem wir das Boot wieder in die Halle getragen hatten und die Skulls verstaut waren, schaute ich aufs Wasser. Eine Dame rudert an uns vorbei. Inzwischen war das Wetter besser. Seelenruhig, eine Mischung aus Kraft und Entspannung, so wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber bis ich soweit bin, wird es wohl noch etwas Zeit brauchen.

So schön ist Hamburg