How does X sound to You?
Ich höre was, was du nicht hörst
Autor: Maike Reiß
„Wir haben keine genaue Vorstellung von dem Endergebnis. Was um 15 Uhr entstanden ist, das hängt ganz allein von den Besuchern und Mitwirkenden ab.“ Ohne Umschweife erzählt die seit 2014 staatlich geprüfte Performance-Künstlerin Anna-Lena Pappe, dass sie von vorne herein ein Experiment mit den Besuchern des Festivals Hauptsache frei vor hatte. Mit Manipulation hat das allerdings nichts zu tun. „Ich gebe ja von Anfang an offen zu, dass ich gespannt bin auf einzelne Reaktionen und Gedanken der Besucher. Die werden hervorgerufen durch die sich immer weiter verändernde Umgebung, die ich mit aufgebaut habe. Somit ist es ein Experiment.“
Aber nun mal ganz von vorne: Was ist das für eine Künstlerin und was für Experimente will die eigentlich mit wahllosen Passanten durchführen?
Am Mittwoch beginnt das Festival der darstellenden Künste in Hamburg. Premiere, denn das gab‘s noch nie! Das Hauptsache frei-Team - mit Anne Schneider als Künstlerische Leiterin, und Sarah Theilacker, organisatorische Leiterin - hat sich für dieses und zwei Folgejahre den Festivaltopf der Kulturbehörde ergattert. Der Subventionszuschuss beträgt jährlich 60 000 Euro und eröffnet die Möglichkeit das Alternativprogramm vom 15. bis 18. April an verschiedenen Spielstätten stattfinden zu lassen. Auf dem Hamburg-eigenen Festival wird Len. gemeinsam mit Überraschungsgästen, eine offene Klangwerkstatt, ein Labor für das Zuhören fünf Stunden lang entwickeln. Sie ist spezialisiert auf das Hören und das damit einhergehende performative Potenzial eines jeden Einzelnen. Diesen Freitag soll jeder Schaulustige, Begeisterte oder Interessierte die Möglichkeit bekommen, ein Teil des Ereignisses zu werden. Die Performance findet in der ehemaligen Hochschule für bildende Kunst Werkstatt statt und wird von 10 bis15 Uhr vollzogen. Skurrile Aufbauten, die alle auf das Wahrnehmen von Klängen abzielen, Überraschungsgäste und Kaffee locken zu einer Veranstaltung der besonderen Art.
„Wir sind ein Kollektiv, das ein Klanglabor mit den Gästen teilt. Das spannende an der Sache ist die Entwicklung des akustischen Raums, z.B. wie wir ihn teilen werden.“ Der Raum, in dem jeder seinen Hörsinn auf eine ganz neue Art und Weise erforschen kann, ist für alle frei zugänglich und kostenfrei. Die junge Künstlerin ist jedoch nicht nur interessiert an den unterschiedlichen Veränderungen auf der Gefühlsebene, sondern hat ebenso stark ein Auge auf die potenzielle Reaktionskette. Die Installation erzeugt individuelle Gedanken und löst nachfolgend ein Verhalten aus. Ganz schön verquer wenn man sich nicht jeden Tag damit beschäftigt. Trotzdem hat die vielschichte Art des Denkens einen Anspruch, der nicht zu unterschätzen ist.
Eine bekannte Performance-Künstlerin ist Marina Abramovic. Sie ist seit den siebziger Jahren im Kunstgeschäft und fasziniert seitdem die Massen mit skurrilen Choreografien.
Ein Beispiel ihrer Kunst ist „600 Stunden auf einem Holzstuhl“. Der Name ist Programm: 200 setzte sie sich sechs Tage die Woche á sieben Stunden auf einen Holzstuhl im Museum of Modern Art, New York City. Klingt skurril, doch diese Performance lockte mehr als 750 000 Besucher an, die ihr dabei zusahen.
Auch Len. startete bereits 2012 eine Aufführung der besonderen Art vor der Europäischen Zentralbank: Sie forderte allein durch eine merkwürdige Gangart die Aufmerksamkeit von wahllosen Passanten auf der Straße ein. Wenn jemand stehen blieb und verwundert schaute, tanzte sie für die Person. So löste das Zuschauen den Tanz erst aus. Vor allem Kinder blieben stehen und beobachteten sie neugierig. „Ich habe das Gefühl eine gute Bindung zu Kindern zu haben. Wir verstehen uns einfach toll.“ Die unvoreingenommene Verwunderung und Aufmerksamkeit ohne eine Erwartungshaltung, scheinen den Kleinen unter uns eine größere Zugänglichkeit zu divergierenden Kunstformen zu geben.
Das „sensorische Anti-Cinema“ wird ein Teil des Experiments in der Wartenau sein. Es soll eins der Zuhör-Projekte sein, an denen man ganz allein teilnehmen kann. Individuelle Erfahrungen sammeln und teilen ist das Motto. Um mehr über die einzelnen Versuche zu erfahren, muss man allerdings Teil des Ganzen werden und es sich persönlich anschauen. „Genaueres über den Aufbau kann ich leider nicht verraten“, gibt sie an. Den Vorstellungen ist also freien Lauf gelassen.
„HOW DOES X SOUND TO YOU“ heißt die Veranstaltung von der Vertreterin der freien Szene. Performatives Potenzial, Klangspiele und Selbstentdeckung werden dort ihre Umsetzung finden. Eins kann man auf jeden Fall Versprechen: es wird frei.
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