monsun theater
Sie klingen schon wie ihre Mütter – und noch besser
„Plusminus Einhundert Jahre“ – die Themen sind geblieben.
Autor: Lena Rüdiger
Das Schauspielerinnentrio um Iris Minich, Sarah Masuch und Susanne Pollmeier reflektiert im monsun theater unter der Regie von Nina Mattenklotz über die Entwicklung der unterschiedlichen Frauenbilder über drei Generationen hinweg.
„Die Mechanik war für die Jungs da und niemals nur für mich.
Ich war die Prinzessin mit Erfüllungspflicht nach Dornröschens Dornenstich.
Die einen hatten den Burden und die anderen die Lädchen,
ich dachte, eine Welt ist für die Jungen da und die andere für die Mädchen.
Den Willen zur Gestaltung hat der Mensch und nicht der Mann.
Ich will raus aus dem Schlamm und endlich zeigen, was ich kann.
Ich will Verantwortung haben, tragen, und nicht erst in hundert Jahren, sondern jetzt.
Ich will dass ihr mich fordert, mit mir rechnet und auf mich setzt.“
Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Selbstwahrnehmung – Themen, die in der heutigen Gesellschaft heute fester Bestandteil des öffentlichen Diskurses sind. Aber insbesondere für die Frauen ist es nicht immer gewesen, wie das Schauspielertrio von „Plusminus Einhundert Jahre“ herausfand.
In drei spannenden Akten erzählen die Darsteller, wie ihre Kinder, ihre Mütter und schließlich auch sie selbst zum Feminismus stehen.
Indem sie ihre eigenen Mütter gegenseitig interviewt haben, wurde den drei Schauspielerinnen erst bewusst, dass ihre Mütter und sie selbst, so verschieden sie auch waren, alle etwas Ähnliches durchlebt und erfahren haben. Dieser Punkt veranlasste sie dazu, das Theaterstück „Plusminus Einhundert Jahre“ zu erarbeiten.
„Das Frauenbild um mich herum war, dass es jetzt vorbei ist mit der Freiheit“,
„Ich hätte mich als Junge freier gefühlt“,
„Ich glaube, ihr größter Wunsch war es, frei zu sein“.
Der Wunsch nach Freiheit, Feminismus und Emanzipation war nie größer und nie greifbarer als in der heutigen Zeit. Auch in der künstlerischen Szene wird das Thema oft problematisiert, doch trotzdem schafft es „Plusminus Einhundert Jahre“ sich von allen anderen mit Bravour abzusetzen.
Das Bühnenbild ist sehr schlicht gehalten, lediglich ein paar Stühle, Mikrophone und eine aufgepimpte Orgel stehen auf der Bühne. Im Fokus des Stücks steht der Inhalt, der die Kulisse zum Strahlen bringt. aneinander gereihter Monologe, fällt das Publikum, durch die pointierte Sprache und den Humor in den Bann der Darsteller, die sich bei ihren Auftritten für nichts zu schade sind.
Jede der drei Schauspielerinnen verkörperte mit großer Hingabe und Ehrerbietung eine andere Frauenrolle. Ob Hausfrau, Karrierefrau oder alleinerziehende Mutter, jede brachte ihre Rolle so überzeugend und emotional dem Publikum entgegen, dass man ihre Situation nicht nur verstehen, sondern sich auch mit ihnen identifizieren konnte.
Über alle Maße beeindrucken Sarah Masuch, Iris Minich und Susanne Pollmeier die Zuschauer besonders, als es um ihre Körper geht. Die eine findet ihre Beine zu dick, die andere hat mit der Problemzone „Bauch“ zu kämpfen und die Dritte im Bunde beklagt sich über die Tücken des Jojo-Effekts. Jede Frau kennt das Problem mit dem Körper.
Verstärkt wird die Unzufriedenheit mit sich selbst auch noch durch all die Frauenmagazine die Size Zero anpreisen, mit den neusten Detoxtees werben oder Körpermaßen von 90-60-90 vorschreiben. Gesellschaftlichen Zwängen wollen sich die drei Frauen aber nicht unterwerfen und zeigen ganz offen, was sie denken: „Ich bin mir genug!“ ist die message der drei, als sie sich nach und nach T-Shirt und Rock ausziehen und zur Musik wild über die Bühne hüpfen.
Beifallsstürme, Jubelrufe und befürwortende Pfiffe vom Publikum ertönen im Saal. So muss es sein! Der einzige, der man sein sollte, ist man Selbst und niemand anders, so die Darstellerinnen.
„Eigentlich machen die Frauen die ganze Drecksarbeit, ne.“
Besonders eindrucksvoll sind die Kurzgeschichten über ihre Mütter, die den Zuschauer berühren und in Erinnerung bleiben. Zur Kriegsgeneration gehören auch ihre realen Mütter. „Eher kalt, abweisend und nicht emotional“, so beschreibt eine die Mutter. „Für mich hat die Liebe gefehlt“, fassen die Schauspielerinnen schließlich ihre Gefühle zusammen.
Auch wenn sie sich geschworen haben, nie so zu sein, mehr für die Kinder da zu sein und mehr Liebe auszustrahlen, ganz so leicht ging es dann doch nicht.
Selbst in der Mutterrolle standen sie vor den gleichen Problemen wie die frühere Generation: Wie bekommt Frau Kind und Job am besten unter einen Hut? Karriere- oder Hausfrau? Was tun, wenn der Mann weg ist und man allein die Kinder ernähren muss? Ist man eine Rabenmutter, wenn man nebenbei arbeiten geht?
Zwar mag der Krieg vorbei und die Männer heimgekommen sein, doch es wurde Platz für neue Herausforderungen geschaffen.
Nach wie vor leben wir in einer Zeit, in der Frau sich behaupten und kämpfen muss. Dass dies Frauen schon gelungen ist, beweisen die Schauspielerinnen durch Zitate großer Feministinnen wie Laurie Penny in ihrem eigens komponierten Lied „Beautiful Girls“, womit sie den grandios phänomenalen Abend beenden. Tobias Gronau hat den gesamten Abend an der Orgel musikalisch begleitet.
„Plusminus Einhundert Jahre“ - ein Stück, das mit viel Herzblut geschrieben und feministischen Gedanken aufgearbeitet wurde, überzeugt, erzeugt Emotionen und kann Frauen wie Männern die Augen öffnen. So sollten beide Geschlechter den folgenden Leitgedanken aus dem Stück verinnerlichen, um gesellschaftlichen Zwängen zu entfliehen und ihren eigenen Pfad zur persönlichen Freiheit einzuschlagen: „Ich beschließe, dass ich genug bin und ich habe noch lange nicht genug davon!“
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