Australien

Das rot-schwarze Herz des australischen Fußballs

Ein TV-Beitrag aus Western Sydney.

Autor: Nils Iwersen

Die Menge jubelt laut, die Mannschaft hebt den Pokal in die Luft, das Herz der Fans pocht laut auf. Der fußballverrückteste Ort Australiens hat die Champions League gewonnen. In Western Sydney hat eine Fußballmannschaft Sportgeschichte geschrieben. Zwei Jahren nach ihrer Gründung sind die Western Sydney Wanderers die Champions Asiens.

Noch ist es ruhig auf dem Rathausplatz von Parramatta. Nur vereinzelt trotten Menschen in schwarz-roten Trikots vorbei. Die Fahnenmasten auf dem Vorplatz sind geschmückt mit dem Wappen jener Mannschaft, die erst vor wenigen Wochen in Saudi-Arabien den Höhepunkt ihrer kurzen Vereinsgeschichte erlebte. An diesem 11. November wird die Mannschaft der Western Sydney Wanderers von ihren Fans auf dem Rathausplatz gefeiert, denn sie haben Geschichte geschrieben. Als erster australischer Klub haben sie sich den größten Klubfußballtitel Asiens erkämpft.

Den Anfang hat diese Erfolgsgeschichte im April 2012 genommen, als der Club gegründet worden ist, um den Westen Sydneys zu repräsentieren. Ein neuer Verein war geboren. Die Wanderers - den Namen wählten die Gründer als Anlehnung an den Klub, der 1880 das erste Fußballspiel im Bundesstaat New South Wales gespielt hat - startete furios. Zwar gab es schon einen ersten Club in Sydney, doch dieser verkörperte nicht die Philosophie der Fans im Westen. Zum ersten Freundschaftsspiel waren 3.500 Fans gekommen. Dieses Spiel haben sie mit 5:0 gewonnen. Kurz darauf hat der Club seinen Aufstieg zu einem der besten Klubs Australiens begonnen. Mit einem ambitionierten Trainer, Tony Popovic, ehemaliger Trainer des englischen Zweitligisten Crystal Palace, haben sie ein Team aus nationalen und regionalen Spielern zusammengebaut. Dieser steht nun auf der Tribüne vor dem Rathaus und genießt die Sprechchöre mit seinem Namen, die ihm zu Ehren gerufen werden. Bei Crystal Palace hat er nur im Mittelfeld gespielt, in Parramatta hat er die Champions-League gewonnen. Gespickt mit wenigen europäischen Kickern hat er eine starke Mannschaft aufgebaut. Vor allem aber ist es bewundernswert, dass der Klub viele Spieler aus den westlichen Suburbs von Sydney geholt hat, sie wollten ihrer Heimat einen erfolgreichen Club schenken. Geschaffen haben sie hierdurch eine große Identifikation mit dem Club. Dieses Team repräsentiert den Stadtteil, aus dem es kommt, ein Stadtteil, aus dem hauptsächlich Bürger aus der Unterschicht und Einwanderer kommen. „Mit einem kleinen Budget durchzustarten und Champions von Asien zu werden, ist eine historische Reise“, erläutert Torhüter Ante Covic am Rande der Siegesfeier vor dem Rathaus. Er zeigt auf die Menschen, die sich und ihren Verein feiern und mit ihnen dieses Abenteuer angetreten haben. Der Verein aus einem armen Stadtteil Sydneys hat es an die Spitze Asiens geschafft.

Der Westen von Sydney ist einer der ältesten Bezirke Australiens, der von europäischen Einwandern besiedelt wurde. Der Heimatbezirk der schwarz-roten Wanderers ist Parramatta, der schon 1788 gegründet wurde. Dort versammelt sich eine multikulturelle Gesellschaft mit vielen Zuwanderern, mehr als 50% der Bevölkerung sind nicht in Australien geboren. Viele Europäer vom Balkan und aus den südeuropäischen Ländern sind in diesem kleinen Stadtgebiet anzutreffen. Die feurige Leidenschaft für den Fußball wurde von diesen Nationen nach Australien importiert. Daher haben die Western Wanderers auch Fans, wie sie sonst nur in den südlichen und südöstlichen Regionen Europas auftreten. Die mit Pyroeinlagen den Stadtteil nach dem Champions-League-Sieg in rotem Schein erleuchten ließen. Im Rauch der Bengalos feierten die Fans in den frühen Morgenstunden einen historischen Moment. Der Rathausplatz glich einem rot-schwarzen Meer aus Feuer und jubelnden Massen.

Mit diesen Fans im Rücken und einer Mannschaft aus Spielern, die mit der Stadt verbunden sind, ist der Verein in seine erste Saison gestartet und diese ist ein erfolgreicher Beginn in eine große Zukunft gewesen. In Deutschland wäre ein neugegründeter Club wohl ohne großen Geldgeber nie mit solchem Erfolg in die Welt des Fußballs gestartet, wie es die schwarz-roten Wanderers vollbracht haben. Von Sieg zu Sieg haben sie die Liga erobert und standen am Ende der regulären Saison auf Platz eins. Mit der besten Abwehr der Liga qualifizierten sie sich für die Champions League und das Halbfinale der Playoffs. Dort haben die Männer aus dem Westen Sydneys gegen die Brisbane Roars um den deutschen Starspieler Thomas Broich, den australischen Fußballer des Jahrzehnts, gewonnen und sind ins Finale eingezogen. Die Krönung ist ihnen jedoch nicht gelungen und sie mussten sich dem Zweiten der regulären Spielzeit, Central Coast Mariners, knapp geschlagen geben. In der zweiten Spielzeit hat der Klub seinen rasanten Aufstieg fortgesetzt und hat nur knapp im großen Finale gegen die Brisbane Roars um ihren für australische Verhältnisse guten, deutschen Spielmacher verloren. Mit dem zweiten Platz in ihrer zweiten Saison waren sie für die Champions-League Asiens qualifiziert.

Wanderers-Plakat
Wanderers-Plakat

Das Team um Trainer Tony Popovic hat die Gruppenphase als souveräner Tabellenerster überstanden und ist ins Achtelfinale einzogen. Dort hat sich der Klub nicht aufhalten lassen und wurde von seinen Fans zu Siegen über japanische, chinesische und koreanische Klubs ins Finale gepeitscht. „Mit kämpferischen Spitzenleistungen und einem Teamspirit, der dem der deutschen Weltmeistermannschaft nahe kommt“, Stadionsprecher Dicko sagt, „beeindruckt dieses Team ganz Asien“. Im Finale waren sie zuerst Gastgeber des saudi-arabischen Klubs Al-Halil. Im Pirtek-Stadion wurden die Gäste mit einer eindrucksvollen Choreografie der WSW-Fans empfangen. Die ganze Kurve zeige zuerst das Vereinsemblem, bevor sie das Blatt wendeten. Dort erschien ein Totenkopf mit den Buchstaben W und S an seinen Seiten. Sie haben ihren Ehrgeiz für diesen Erfolg gezeigt. Das Spiel wurde angepfiffen. Es sollte der Abend des 23-jährigen Tomi Juric werden. In der 58. Minute eingewechselt, erzielte er nach nur sechs Minuten das Tor zum 1:0, was gleichzeitig der Endstand war. Über das Tor sagt er später, „es war einer der größten Erfolge meiner Karriere. Es war ein überwältigendes Gefühl, dieses Tor zu erzielen“. Denn aufgrund einer begeisternden Leistung im Rückspiel, von der Juric sagt, „es war eine große Anstrengung, als jeder der Mannschaft alles gegeben hat“. Sie haben Al-Halil auch in Saudi-Arabien standgehalten und haben sich diesen Triumph gesichert. „Ihr habt von Australien aus Asien erobert“, erklärt der australische Verbandspräsident Frank Lowy auf dem Rathausplatz. Jetzt halten sie den Pokal in den langsam dunkelwerdenden Abendhimmel Parramattas und präsentieren den Fans die Silberware. Sie stimmen Fangesänge mit der Menge an und erfreuen sich an ihrem größten Triumph. Im Blitzlichtgewitter der Fotografen glänzen die goldenen Medaillen der Spieler, die sie stolz um ihren Hals hängen.

Einen wichtigen Aspekt, der zu diesem Erfolg beigetragen hat, ist ohne großes Zögern auszumachen. Es sind die Fans des Klubs, es sind die Menschen, die sich aufgemacht haben nach Saudi-Arabien. Diese Frauen und Männer, die alles auf sich nehmen, um ihrem Verein beizustehen. Mit großartigen Choreografien, lautstarken Gesängen und einem starken Rückhalt für die Mannschaft haben es diese Fans geschafft, ihr Team zum Titel zu treiben. Beim Sydney-Derby im Oktober kurz vor den beiden Finalspielen marschierte der Red-and-Black-Bloc, die Ultras der Wanderers, lautstark zum Stadion und hat dem Team gezeigt, dass sie vor diesen wichtigen Spielen hinter ihnen stehen. Nach dem herausragenden Titelgewinn in Saudi-Arabien haben die Fans ihr Team am Flughafen begrüßt. Dieser Empfang würde selbst jedem Fußballfan Europas Gänsehaut machen. „Es war außergewöhnlich, wie wir am Flughafen empfangen wurden“, schwärmte einer der Helden des Finals, Torhüter Ante Covic, „das wäre vor zehn Jahren nicht möglich gewesen“. Nicht nur, dass der Flughafen mit einer riesigen Menschenmasse gefüllt war, sondern auch lautstark wie ein Kampfjet haben die Ultras ihre Champions empfangen. All diese Menschen machen den Klub aus, sie unterstützen das Team, so frenetisch und fanatisch, egal in welcher Lage. Der Stadionsprecher Dicko sagt, „sie singen lauter, wenn die Mannschaft am Boden ist und das 90 Minuten durch“. Das seien die wunderschönen Dinge, die Teil dieses Klubs sind, schwärmt er und schlägt sich mit der Hand aufs Emblem. „Es ist nicht so, dass dir nur das Wasser in den Mund läuft, sondern dass du dich dem Verein verpflichtest, dann bekommst du Support von den Fans.“, erklärt Dicko, „wenn du ins Stadion kommst und die Atmosphäre spürst, dann kommst du immer wieder.“ Der Klub und seine Fans sind eine Einheit, die jeden begeistert und mitzieht. Sie haben die Messlatte für australische Fußballfans sehr hochgelegt.

Fahnen schwingen für die Wanderers.
Fahnen schwingen für die Wanderers.

In Western Sydney schlägt das Herz des Australischen Fußballs. Durch die Einwanderer aus Süd- und Südosteuropa wurde auch deren Fußballkultur nach Australien übertragen. Sie wollten Fußball spielen und leben und mit der Gründung dieses Klubs konnten diese Menschen Australien ihre Passion zeigen. Parramatta ist der Ort, aus dem die Hälfte der Spieler der Socceroos, der australischen Fußball-Nationalmannschaft, kommt. Es ist die Heimat des Fußballs in Australien. Diese Region hat nun einen Verein, mit dem sie sich identifizieren können, das ist es, was Western Sydney braucht. Covic betitelte diesen Teil Sydneys als „fußballverrückteste Region Australiens“. „Auf dem Prinzip einer Gemeinschaft wurde dieser Klub gegründet“, erklärt die Nummer eins der Wanderers und gibt zu verstehen, „dieser Club wird der größte Australiens“. Ein Team aus Brüdern machte sich auf Geschichte zu schreiben und wurde von seinen Brüdern auf der Tribüne unterstützt. Alle Menschen in diesem Verein sind eine große Familie und das wird auch gezeigt. Sie halten zusammen in guten, wie in schlechten Zeiten. Jeder im Team gibt alles für die Männer neben sich, genauso wie die Fans es für die Menschen neben sich geben. Als Beispiel sind die Benefizaktionen für ein Mitglied, das an Krebs erkrankte, zu nennen. Mit den Aktionen haben sie Spenden gesammelt, die dem engagierten Mitglied helfen und seine Familie unterstützen sollten. Unaufgefordert sind auch Spieler zu diesen Aktionen gekommen und haben ihren Anteil für die „Familie“ gegeben. „Dieser Zusammenhalt und dieser Teamspirit zeigen, dass der Verein ein wichtiger Organismus ist, der zu dem Erfolg beiträgt“, erklärt Dicko.

Auch Ante Covic schwärmt von diesem Verein und dieser Region, aus der er selbst kommt und wo er seine ersten Schritte im Profi-Fußball gemacht hat. „Es ist ein Moment, der mich mit Stolz erfüllt“, gesteht der australische Nationaltorhüter, „mit dieser Mannschaft diesen Titel zu gewinnen ist ein unglaublicher Erfolg“. Hier ist das Team der Star und nicht irgendein Spieler. Es ist kein Team, das von Multi-Millionären gepusht wurde. Es sei ein Team, das für eine Explosion sorgte und sich als eine Einheit zeigt. Kein Team habe es mehr verdient als die Western Sydney Wanderers, führt Covic an. Die ganze asiatische Fußballwelt straften sie Lügen und zeigten, was für ein Team sie sind. Es ist ein Märchen, das sie lebten. Es ist historisch, was sie vollbrachten. Ein Team, das jetzt und hier auf dem Marktplatz lautstark feiert.