Kinder im Theater - Ist das noch zeitgemäß?
Ein Feature von Elian Clasen
Autor: Elian Clasen
Kultur? Theater? Für viele Kinder von heute klingt das so aufregend wie Lateinvokabeln. Smartphones, Streaming und Gaming drängen analoge Erlebnisse in den Hintergrund und es wird immer schwieriger, junge Talente zum Schauspiel zu motivieren. Doch warum? Und was kann man tun?
Laut der Hamburgischen Kulturstiftung ist der Schlüssel, Kinder früh für Kultur zu begeistern – mit Projekten, die niederschwellig und inklusiv sind. Workshops, Schultheater und Förderprogramme bieten Räume, in denen Kreativität nicht nur gefördert, sondern gefeiert wird. Doch auch hier gilt: „Wir müssen die Kinder dort abholen, wo sie sind", betont die Stiftung. Das heißt, die Verbindung zwischen digitaler Welt und Theater stärker zu gestalten.
In einer Zeit, in der soziale Medien, Videospiele und das Internet einen Großteil der Freizeitgestaltung junger Menschen ausmachen, scheinen Kultur und Theater zunehmend in den Hintergrund zu rücken. Doch ist das wirklich besorgniserregend? Veronika Schimmer von der Hamburgischen Kulturstiftung sieht die Entwicklung kritisch: „Kultur ist ein wichtiger Baustein für die Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation." Dennoch sei es wichtig, die Gründe differenziert zu betrachten.
„Gerade bei Kindern liegt es vor allem an den Eltern, ob sie ins Theater gehen oder anderweitig Kontakt mit Kulturveranstaltungen haben, und weniger an anderen Medien", erklärt Schimmer. „Bei Jugendlichen ist es, wie es auch beim Lesen immer wieder beobachtet wird, ein Stück weit normal, dass sie in dieser schwierigen Lebensphase der Pubertät andere Interessen haben und es muss nicht unbedingt bedeuten, dass sie später als Erwachsene kein Interesse an Kultur haben."
Doch im Fall der Generation Alpha, von Kindern also, die nach 2010 geboren sind, mehren sich die Zeichen, dass es immer schwerer wird, sie für Theater zu begeistern. Unter ihnen wird gerade das sogenannte „Double-Screening“ immer populärer: Ein Kind sitzt hier vor zwei Bildschirmen, beispielsweise vor einem Fernseher und einem iPad und erhält dabei einen noch stärkeren Dopamin-Rausch. Wie soll da ein einzelnes Theaterstück, das in der Regel um einiges langsamer und weniger kurzweilig als ein Video auf TikTok ist, überhaupt mithalten? Immer kürzere Aufmerksamkeitsspannen sind Ursache und Folge der beliebten Screentime zugleich.
Ein Beispiel hierfür ist der Youtube-Kanal „Cocomelon“, der mit 188 Millionen Abonnenten und Aufrufzahlen teilweise im Milliardenbereich zu den größten weltweit zählt. Dort wird eine Kinderserie hochgeladen, deren Folgen nur wenige Minuten lang sind. Sie sind extrem schnell geschnitten, Töne kommen aus allen Richtungen, grelle Pastellfarben zeichnen das Bild. Eine solche Reizüberflutung scheint für Generation Alpha normal zu werden.
Tatsächlich berichten viele Einrichtungen, dass es schwierig sei, diese junge Zielgruppe zu erreichen. Dennoch gibt es auch positive Beispiele: Projekte wie die „Theaterberater*innen" des FUNDUS Theaters oder Theaterstücke, die gemeinsam mit Jugendlichen entwickelt werden, zeigen, dass es Möglichkeiten gibt, junge Menschen wieder für Kultur zu begeistern.
Ein zentrales Problem bleibt jedoch die Erreichbarkeit: Zu oft orientieren sich Theaterstücke nicht an den Lebensrealitäten der Jugendlichen. Hinzu kommen finanzielle Hürden. „Sowohl die Eintrittspreise als auch die Kosten für die Teilnahme an Jugendtheatern können sich viele benachteiligte Familien gar nicht leisten", betont Schimmer. Projekte wie das Wilhelmsburger Wintermärchen oder Theaterworkshops in Kulturzentren, die kostenfrei oder mit geringen Beiträgen angeboten werden, sind hier vorbildlich.
Wie kann man also gegensteuern? Schimmer ist überzeugt: „Ich denke, man muss den Kindern und Jugendlichen mehr auf Augenhöhe begegnen, wie es z. B. das Projekt Theaterberater*innen vormacht." Erfolgreiche Projekte wie die AZUBIS, die regelmäßig Workshops mit Kindern zur Stückentwicklung durchführen, oder Jugendtheatergruppen, die junge Darsteller aktiv einbinden, beweisen, dass ein Umdenken möglich ist.
Fördermittel für diese Art von Theaterarbeit gibt es, allerdings eher für experimentelle Projekte. „Tatsächlich ist es für die eher traditionellen und klassischen Kindertheater und Theatermacher*innen, wie z. B. das Hamburger Puppentheater, schwieriger, passende Fördertöpfe zu finden."
Die Herausforderung, Kultur und Theater für junge Menschen wieder attraktiver zu machen, wird weiter wachsen. Doch mit gezielten Maßnahmen, kreativen Projekten und einer stärkeren Einbindung der Zielgruppe sind positive Veränderungen möglich.