Rezension zum Stück „Eigengrau" von Anton Pleva
Wo grau alles andere als langweilig ist: Eigengrau in Hamburg
Eine Rezension von Lukas Fürste
Autor: Lukas Fürste
Manchmal denkt man, Grau sei einfach nur langweilig – doch wer Eigengrau am im Hamburger Sprechwerk erlebt, weiß: Grau kann fesseln, berühren und sogar zum Lachen bringen. Drei Stunden lang nimmt das Stück uns mit in die Abgründe urbaner WG-Küchen und moderner Beziehungen, bringt uns zum Lachen und Verzweifeln. Doch eines ist sicher: Dieses Grau hat mehr Farbe, als man je erwarten würde.
Beziehungen, Feminismus, Einsamkeit mit schwarzem Humor, emotionaler Tiefe und messerscharfen Dialogen: Schriftstellerin Skinner kombiniert bissigen Humor mit tiefgründigen und oft schmerzhaften Einsichten. Feminismus, toxische Beziehungen und das Streben nach Individualität treffen in der Adaption auf gesellschaftliche Debatten, die in Deutschland gerade im Vordergrund stehen. Das Stück wird so zu einem Spiegelbild der urbanen Lebenswirklichkeit in einer Stadt wie Hamburg. Der Wechsel zwischen schwarzem Humor und ergreifender Ernsthaftigkeit hält das Publikum in Atem. Die Leichtigkeit der Dialoge macht die schwereren Momente umso eindringlicher, während der Humor den düsteren Themen wie Einsamkeit, Manipulation und Sinnsuche, eine gewisse Greifbarkeit bietet.
Die Besetzung der deutschen Adaption ist ein echter Glücksgriff. Julia Kemp verkörpert Cassie mit einer Intensität, die den Zuschauer zwischen Bewunderung und Irritation schwanken lässt. Aber auch alle anderen Schauspielerinnen und Schauspieler des Ensembles liefern eine wahrhaft außergewöhnliche Leistung ab, die das Publikum fast drei Stunden lang in ihren Bann zieht. Mit einer Energie und Leidenschaft, die in jedem Moment spürbar ist, tragen sie die emotionale Intensität des Stücks und machen es zu einem Erlebnis, das unter die Haut geht. Jede Bewegung, jeder Blick, jede Zeile wirkt, als sei sie mit größter Hingabe durchdrungen: Ein Zeugnis dafür, dass die Darstellenden das Schauspiel nicht nur ausüben, sondern leben.
Gelegentlich neigt die Inszenierung jedoch dazu, seine Botschaften etwas überdeutlich zu vermitteln, insbesondere in Cassies endlosen Monologen. Diese Szenen könnten subtiler sein, um ihre Wirkung zu verstärken. Zudem bleibt das Ende bewusst offen, was einerseits die Vielschichtigkeit des Stücks unterstreicht, andererseits aber Zuschauer frustrieren könnte, die nach klaren Auflösungen suchen. Besonders hervorzuheben ist der kreative Umgang mit Raum und Licht: Die Bühne wird durch geometrische, verschachtelte Strukturen dominiert, die sowohl das Chaos in den Beziehungen als auch die Enge des urbanen Lebens symbolisieren. Das Lichtdesign greift die Bedeutung des Titels „Eigengrau“ auf: Schatten, Halbdunkel und grelle Kontraste schaffen eine bedrückende Atmosphäre, die die innere Zerrissenheit der Figuren unterstreicht. Trotz der großartigen Umsetzung bleibt das Stück in einigen Momenten ein wenig zu dialoglastig.
Eigengrau ist ein kluges, packendes Drama, das die Widersprüche moderner Identitäten und Beziehungen meisterhaft einfängt. Penelope Skinner zeigt, wie subtil Machtstrukturen wirken können und wie schwer es ist, in einer Welt voller Grautöne Orientierung zu finden. Die Inszenierung von Anton Pleva schafft es, die Themen des Originals auf eine Weise zu übersetzen, die für ein Hamburger Publikum sofort greifbar ist. Besonders spannend ist, wie die feministische Thematik in die deutsche Debattenlandschaft eingebettet wird – Cassies Monologe wirken wie direkte Kommentare zur aktuellen Genderdebatte.