Tennis
Die große Hoffnung auf Verlegung
Autoren: Jakob Vogel, Johannes Zerer, Johannes Schmidt, Dominik Schwerma
Die Hamburg European Open 2020 sind, wie nahezu alle anderen großen Sportereignisse, aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt worden. Das große Tennisturnier am Rothenbaum hätte vom 11. bis 19. Juli stattfinden sollen. Die Organisatoren hoffen derzeit auf eine Verlegung des traditionsreichen ATP-Turniers.
Es ist ein äußerst befremdliches Gefühl. Bauzäune umrunden das große Tennisstadion am Rothenbaum, weiß-rotes Absperrband verbindet die Bäume auf der altehrwürdigen „Eingangsplaza“, und vor der Tribüne ist ein großes Gerüst aufgebaut. Normalerweise würden die Vorbereitungen für das prestigeträchtige Turnier bereits auf Hochtouren laufen, doch jetzt ruhen sogar die Bauarbeiten. Mit großem Zeitdruck arbeiteten Verantwortliche, Handwerker und fleißige Helfer daran, die Modernisierungsmaßnahmen bis Ende Juni fertigzustellen, um im Juli acht Tage Spitzen-Tennis im renovierten Stadion erleben zu können. Zeitdruck gibt es nach der Absage des Sandplatzklassikers nun keinen mehr, im Gegenteil: „Da die Hamburg European Open infolge der Coronavirus-Pandemie nicht an ihrem ursprünglichen Termin im Juli stattfinden können, haben sich die Projektpartner noch zu einer zusätzlichen Baumaßnahme entschlossen, die jetzt umgesetzt wird. Die Südfassade und der Stadionkranz sollen noch einen Anstrich in grauer Farbe erhalten“, gaben die Veranstalter am 19. Mai auf ihrer Homepage bekannt.
Doch genau diese Maßnahmen kosten Geld. Geld, dass durch fehlende Einnahmen ausbleibt. Für die Finanzierung der Modernisierungsmaßnahmen können die Veranstalter jedoch auf Unterstützung hoffen. Der Unternehmer Alexander Otto hat Anfang 2019 bekannt gegeben, einen großen Teil der Kosten für die Modernisierung zu finanzieren. Laut dem Portal „tennis.de“ hat der Mäzen acht Millionen Euro für den Umbau durch seine Sportstiftung bereitgestellt. Doch nicht nur Otto unterstreicht durch seine finanzielle Hilfe den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wert des Sandplatz-Klassikers. Auch die Stadt Hamburg und der Deutsche Tennis Bund haben jeweils eine Millionen Euro beigesteuert. Somit bringen alle Geldgeber die Umbaumaßnahmen in großem Maße voran. Im Mai wurden 10.000 neue Sitze sowie neuer Boden in den Fluren und im Treppenhaus fertiggestellt. Da nun feststeht, dass im Juli kein Turnier am Rothenbaum stattfinden wird, wurden die Arbeiten bis September ausgeweitet.
Eine große Tradition
Das Tennisturnier am Rothenbaum blickt auf eine lange, ereignisreiche Geschichte zurück. 1894 fanden auf dem Sportgelände erstmals die „Internationalen Deutschen Meisterschaften im Tennis“ statt. Zu Beginn durften nur deutsche und österreichische Tennisspieler teilnehmen, drei Jahre später wurden die ersten offenen Deutschen Meisterschaften am Rothenbaum ausgetragen. Der Engländer George Hillyard wurde 1897 der erste internationale Sieger, und seitdem wird weltweit von den „German Open“ gesprochen. Einen regelrechten Boom erlebte das Turnier in den 1980er Jahren, als Ausnahmeathleten wie Michael Stich (51) oder Boris Becker (52) regelmäßig an den Wettkämpfen teilnahmen. Bis heute konnte Boris Becker nie am Rothenbaum gewinnen. Abgesagt wurde das Turnier nur während beider Weltkriege. Seit 1947 finden auf dem prestigeträchtigen Areal alljährlich die „German Open“ statt.
Auch wenn der Termin im Juli verbindlich abgesagt wurde, geben die Organisatoren die Hoffnung nicht auf, dass die langjährige Tradition beibehalten werden kann. „Wir wollen alles dafür tun, um eine Austragung der Hamburg European Open in diesem Jahr zu ermöglichen. Wir diskutieren alle Optionen und stehen in ständigem Kontakt mit der ATP. Unsere Wunschvorstellung wäre eine Verlegung in den September“, sagte Turnierdirektorin Sandra Reichelt, die auf Unterstützung aus der Chefetage der ATP hofft. „Aktuell behalten die Hamburg European Open ihre bisherige Kalender-Position im Juli. Wir arbeiten eng mit den Turnierveranstaltern zusammen, um alles zu tun, um ein erfolgreiches Turnier auf die Beine zu stellen“, versicherte David Massey, Europachef der ATP.
„Ohne Publikum zu spielen, ist für mich komisch“
Die führenden Politiker Hamburgs stellten unmittelbar nach der Absage des Termins im Juli die Wichtigkeit der Veranstaltung für die ganze Region Hamburg dar. „Das Tennisturnier am Rothenbaum gehört zu den traditionsreichsten Tennisturnieren unseres Landes und ist seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil im Sportkalender der Hansestadt. Das soll so bleiben“, betonte Christoph Holstein, Staatsrat für Inneres und Sport Hamburg. „Wir unterstützen die Veranstalter bei ihren Bemühungen auf der Suche nach einem Alternativtermin und würden uns wünschen, dass eine Durchführung im Herbst dieses Jahres möglich ist. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass dies vom gesundheitlichen Standpunkt her zulässig ist“, sagte der SPD-Politiker.
Besonders groß ist die Enttäuschung bei den Spielern, die an dem Turnier im Juli teilgenommen hätten. „Ich bete, dass das Turnier in diesem Jahr stattfindet. Ich habe schon gehört, dass alles versucht wird, damit es in den September verlegt wird“, sagte Rudolf Molleker. Der 19-Jährige nahm bereits in den vergangenen drei Jahren in Hamburg teil und betont immer wieder, wie sehr ihm das Turnier am Herzen liegt. „Ich erhalte nirgends so einen krassen Support wie in Hamburg. Jedes Jahr, wenn ich ins Stadion einlaufen darf, merke ich, wie sehr die Leute mich unterstützen. Hamburg ist mein absolutes Lieblingsturnier“. Der Youngster war schon als kleiner Junge Zuschauer am Rothenbaum und hat sich genau in dieser Zeit in den Tennis-Sport verliebt. Die Vorstellung, dass das Traditionsturnier ohne Zuschauer stattfinden könnte, bringt den gebürtigen Ukrainer ins Grübeln. „Ohne Publikum zu spielen, ist für mich komisch. Ich durfte in Hamburg schon diese super Erfahrung in einem vollen Stadion machen. Das genieße ich, das ist für mich Tennis, das sind die Emotionen, die ich leidenschaftlich aus Tennis ziehe“.
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