Handball

Ein unerwartet schwerer Gegner – das Coronavirus

Autoren: Daniel Koeberer, Lennart Kater, Niklas Heiden

Normalerweise präsentiert der Deutsche Handballmeister THW Kiel die Schale auf dem Rathausbalkon vor über 15.000 Fans. Von einer Meisterfeier kann in dieser Saison aber nicht gesprochen werden. Mit Mundschutz und Handschuhen ausgestattet, und unter Einhaltung der Abstandsregel, hob der Kieler Kapitän Domagoj Duvnjak die Trophäe in der leeren Kieler Sparkassenarena in die Höhe. Der Ex-HSVer und seine Teamkollegen hätten die Saison dennoch lieber sportlich über die Bühne gebracht. 

Gerade finanziell stellt die Corona-Pause einige Vereine vor eine große Herausforderung, denn im Handball generieren viele Clubs mehr als 50 Prozent ihrer Einnahmen durch den Ticketverkauf. Auch bei Duvnjaks alter Liebe, dem HSV Hamburg und heute Handball Sport Verein Hamburg, reißt das Virus ein großes Loch in die klammen Kassen des Vereins, der sich im starken Aufwärtstrend befand. „Das Corona-Virus ist der bislang härteste Gegner für den Handball Sport Verein Hamburg“, erklärte Geschäftsführer Sebastian Frecke.

Am 21. April gab die Handball-Bundesliga, nach einem Monat der Ungewissheit über das weitere Vorgehen, offiziell bekannt, die Saison der ersten und zweiten Handball-Bundesliga abzubrechen und per Quotientenregel auszuwerten. Damit beendeten die Hamburger die Saison auf dem achten Tabellenrang; der besten Platzierung der Vereinsgeschichte. In seiner zweiten Saison im Unterhaus der Handball-Bundesliga entwickelte sich der Handball Sport Verein Hamburg zu einer soliden Zweitliga Mannschaft, welche langsam Ambitionen in Richtung Bundesliga entwickelte. Gerade die Heimstärke zeichnete die Mannschaft von Trainer Torsten Jansen aus. In der heimischen Sporthalle Hamburg war der Zweitligist nur einmal zu bezwingen. Außerdem mutierten die Handballer zum Favoritenschreck und stellten mehrmals den Aufstiegskandidaten ein Bein. Höhepunkt war hierbei das Heimspiel gegen Bundesligaabsteiger Bietigheim, welches im Nachhinein als das beste Spiel der noch jungen Vereinshistorie gilt. Jenes Spiel stellte gleichzeitig auch das abrupte Ende der Saison dar.  

Auch beim Ligakonkurrenten VfL Lübeck-Schwartau steht man nach dem Abbruch der Saison vor neuen Herausforderungen. „Wir haben von unseren Trainern individuelle Trainingspläne bekommen und können dadurch von zuhause aus Lauf- und Stabilitäts-Trainings absolvieren. Aber natürlich sind wir schon heiß darauf, wieder in die Halle zu kommen in Kleingruppen“, sagt Mex Raguse. „Normalerweise beginnt die neue Saison im August, aber ich glaube nicht, dass das was wird“, so der Rückraum Linke. 

Zwar dürfen Mannschaften unter strengsten Auflagen seit Anfang Juni wieder trainieren, wann aber ein Mannschaftstraining ohne Abstandsregel und ständig neu desinfizierten Bällen wieder stattfinden kann, bleibt offen. Bis dahin ist auch die kommende Saison in weiter Ferne.

In Hamburg steht die Trainingshalle am Volkspark weiterhin leer, denn die Spieler des Handball Sport Verein Hamburg halten sich, genau wie beim VfL Lübeck-Schwartau, aktuell individuell fit und befinden sich in der Sommerpause. Unterstützung erhält derweil der Verein aus den eigenen Fanreihen. In der Kommunikation mit den Dauerkarteninhabern kamen auch die Spieler zum Einsatz. Jeder der rund 2000 Dauerkartenbesitzer wurde persönlich von einem Spieler angerufen, aber auch Trainer Torsten Jansen und Vereinsikone Stefan Schröder unterstützten. Sechs Heimspiele und die dazugehörigen Einnahmen fehlen dem Club. Inklusive möglicher Rückzahlungen an Sponsoren, wären das Einbußen von 700.000 Euro. Umso größer war die Unterstützung der Fans, von denen viele auf eine Rückerstattung der Tickets verzichteten. Als Dank spendiert der Verein diesen Fans zur kommenden Saison ein exklusives Sondertrikot.  

Ebenfalls werden die Partner und Sponsoren der Hamburger den Verein weiter unterstützen. „Wir waren vor Corona sportlich und wirtschaftlich auf einem richtig guten Weg und werden jetzt alles tun, um uns nicht von diesem Kurs abbringen zu lassen und nächste Saison wieder anzugreifen“ sagte Frecke. „Wir sind voller Hoffnung aufgrund der großen Solidarität, die uns bislang entgegengebracht wird“. Die Lizenz zur kommenden Saison sicherten sich die Hamburger bereits Anfang April. Im Hintergrund laufen schon die Planungen zur kommenden Saison. Lediglich die Verträge von Rückraumspieler Jan Forstbauer und dem ausgeliehenen Torwart Jonas Maier laufen aus. Allerdings darf der Zweitligist erst nach Beendigung des Kurzarbeitsverhältnisses im Juli mit den Akteuren verhandeln. Was feststeht ist, das Blazenko Lackovic Co- Trainer von Toto Jansen bleibt.

Gemeinsam mit seinen Fans bot der Handball Sport Verein Hamburg dem Virus die Stirn. Unter dem Motto „Corona kontern“ veranstaltete der Klub einen mehrstündigen Livestream am Pfingstmontag. Einige Gesprächspartner aus aktuellen und früheren Zeiten waren zu Gast. Außerdem feierte man das zehnjährige Jubiläum der Deutschen Meisterschaft des damaligen HSV Handball. Hier übertrug der Verein noch einmal das entscheidende Spiel gegen Gummersbach aus dem Jahre 2010. Desweitern wurde das jüngste Spiel vor dem Corona-Abbruch gegen Bietigheim gezeigt. „Wir wollen noch mehr Menschen die Möglichkeit geben, sich ohne Umwege einzubringen. Es macht uns sehr stolz, wie viele Menschen sich solidarisch zeigen und ihren Teil dazu beitragen wollen, dass es auch in Zukunft ambitionierten Bundesliga-Handball in Hamburg zu sehen gibt“, erklärte Sebastian Frecke vor dem Spiel.

Die Fans konnten sich im Internet für Zehn Euro ein fiktives Ticket für einen Platz in der Barclay-Card Arena kaufen. Außerdem bestand die Möglichkeit, den Verein mit einem VIP-Ticket im Wert von 79 Euro zu unterstützen. Hier ist eine Corona After-Show Party mit den Spielern enthalten, sobald dies wieder möglich ist. Alle Einnahmen kommen dem Verein zu Gute. 

„Da wir zum aktuellen Zeitpunkt nicht wissen, wann wir wieder mit Einnahmen aus dem Spielbetrieb rechnen können, hilft uns jeder Euro, diese schwierige Zeit durchzustehen und an unseren Zielen festzuhalten“, führte Frecke weiter aus. Und diese Ziele sind in Hamburg durchaus klar formuliert. Der Aufstieg in die Bundesliga soll mittelfristig in Angriff genommen werden. Dafür muss mit dem Corona-Virus nun der bislang stärkste Gegner erstmal geschlagen werden.