Story

40 Jahre als Senator: Wie sah Joe Bidens Politik vor Obama aus?

Autor: Leia Nicki Kantenwein

Nach vier Jahren Führung durch einen Mann, der kaum politische Vorkenntnisse hatte, steht jetzt jemand an der Spitze der Vereinigten Staaten, der mit deutlich mehr Erfahrung angeben kann. Joe Biden kennt man als sympathischen Sidekick des ehemaligen Präsidenten Barack Obama.

Doch was er davor gemacht hat, wird nicht oft erwähnt. Bevor er zum Vizepräsidenten wurde, war er bereits fast 40 Jahre als US-Senator tätig. Schauen wir uns an, wie diese lange Karriere aussah.

1972 trat Joe Biden für die Demokraten für die Senatswahlen in Delaware an. Mit gedruckten Flyern und der Bereitschaft, den Wähler_innen Face-to-Face zu begegnen startete er mit Hilfe seiner Familie seine Wahlkampagne.

Er versprach, sich für den Truppenabzug aus Vietnam, Menschenrechte, den Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, die Umwelt, fairere Steuer und Gesundheitsversorgung einzusetzen. Letztendlich gewann er die Wahl mit nur 3000 Stimmen Vorsprung und wurde mit nur 30 Jahren der sechstjüngste Senator in der Geschichte der USA.

Noch im selben Jahr hatte die Reagan-Administration vor, einen Vertrag zwischen der Sowjetunion und den USA möglichst vage auszulegen, damit sie ihr Waffenprogramm erweitern konnten. Joe Biden sprach sich dafür aus, den Vertrag streng einzuhalten, um die Spannungen zwischen den Ländern nicht zu verschärfen.

1974 stimmte er für einen Gesetzesentwurf, der es schwieriger machen sollte, Schulen zu diversifizieren und Rassentrennung aufzuheben. Als dieses Gesetz nicht durch ging, stimmte Biden für einen Kompromiss. Das Gesetz wurde zwar übernommen, aber es wurde hinzugefügt, dass Ungleichbehandlung dadurch nicht stattfinden dürfe, also „Separate but Equal“. Seine weiße Wählerschaft war damit nicht einverstanden.

1975 sorgte er mit dafür, dass Distrikten, die die Schulen weiter segregieren wollten, dafür nicht die Finanzierung entzogen werden konnte.

1976 unterstützte Joe Biden den Senator Robert Byrd dabei, den Transport von schwarzen Schüler_innen in weiße Schulen zu erschweren.

1979 weigerte sich der Kongress, ein Abkommen zwischen den USA und der Sowjetunion anzunehmen. Der Vertrag sollte die Spannungen zwischen den Ländern weiter mindern. Biden ergriff die Initiative und traf sich mit dem Sowjetischen Außenminister Andrei Gromyko zum gegenseitigen Austausch. Im selben Jahr stimmte er dafür, dass „White only“ Privatschulen ihren Steuerfreien Status behalten dürfen. Dafür wurde er von der schwarzen Bürgerrechtsbewegung scharf kritisiert.

1984 half Joe Biden dabei, den „Comprehensive Crime Control Act“ durchzuführen. Dieser führte dazu, dass sich die Anzahl der Gefangenen in den USA in nur etwa einem Jahr um 32% erhöhte und dass etwa doppelt so viel Eigentum von der Polizei beschlagnahmt wurde. Diese „tough on crime“ Politik war mit Grund für die Massenhafte Gefangenschaft der schwarzen Bevölkerung, die bis heute besteht. Später nannte er das ganze einen „großen Fehler“.

1986 setzte er sich für ökonomische Sanktionen gegen Südafrika ein. Der Staat praktizierte bis in die 90er die Rassentrennung.

1987 kandidierte er für die Präsidentschaftsnominierung der Demokratischen Partei. Anfangs lief sein Wahlkampf gut. Er erhielt mehr Spenden als jeder andere Kandidat. Doch als er wiederholt in seinen Reden plagiierte und log bekam er viel negative Medienaufmerksamkeit. Beispielsweise kopierte er Passagen aus den Reden von Neil Kinnock aus der britischen Labour Partei und behauptete, bei der Bürgerrechtsbewegung mitmarschiert zu sein. Schließlich zog er seine Kandidatur zurück.

1991 stimmte er gegen die Autorisierung des Golfkrieges, da die US bereits durch andere Kriege belastet sei.

1993, während des Jugoslawienkriegs, traf sich Biden mit dem serbischen Machthaber Milosevic und bezeichnete ihn offen als einen Kriegsverbrecher. Er sprach sich für die Kriegsausbildung von bosnischen Truppen und für NATO Luftschläge aus. Später nannte er seine Rolle im Balkan seinen „stolzesten Moment im öffentlichen Leben“.

Im selben Jahr stimmte Biden für ein Gesetz, was es Homosexuellen verbieten sollte, in die US-Armee einzutreten. Homosexualität sei nicht kompatibel mit dem Militärleben. Von Präsident Clinton wurde das Gesetz später in die „Don’t ask, don’t Tell“ Politik umgewandelt, welche Homosexualität dann erlaubte, wenn sie geheim gehalten wurde. 

1996 stimmte Biden für den Defense of Marriage Act, welcher gleichgeschlechtliche Ehe verbat und dazu führte, dass Homosexuelle nicht gleichberechtigt vom Gesetz geschützt wurden. Erst 2015 wurde der Act komplett aufgehoben.

1999, während dem Kosovokrieg, unterstützte Joe Biden die Bombenkampagne der NATO gegen Serbien und Montenegro. Zusammen mit John McCain sponserte er einen Gesetzesentwurf, der dem Präsidenten alle nötigen Vollmächte geben würde, um Milosevic zu stürzen.

2001 gehörte er zu den starken Unterstützern des Afghanistankrieges. Er sagte: „Was auch immer nötig ist, wir sollten es tun.“

2002 stimmte er für den Authorization for Use of Military Force Against Iraq. Er bezeichnete den Machthaber Saddam Hussein als eine Gefahr für die Nationale Sicherheit, die man mit allen Mitteln auslöschen müsse. Dabei verbreitete er die Lüge, dass Irak Massenvernichtungswaffen besitze. Er bezeichnete seine Rolle im Krieg zwar später als einen „Fehler“, doch er argumentierte nie für einen Truppenabzug. Im Gegenteil.

2004 traf sich Biden mit Muammar Gaddafi und handelte die Freilassung des politischen Gefangenen Fathi Eljahmi.

2007 kandidierte er erneut für die Demokratische Nominierung als Präsidentschaftskandidat. Als er dann über Barack Obama sagte, er sei „der erste bekannte Afroamerikaner, der sich gut artikuliert, der klug und sauber und nett aussehend ist“, ging seine Kampagne bergab. Auch wenn er seine Kandidatur zurückzog, kam er während dieser Zeit Obama näher.

2009 trat er von seinem Amt als Senator zurück, um fünf Tage darauf das Amt als Vizepräsident der USA anzutreten.

Joe Biden hat alles andere als eine weiße Weste. Seine Vergangenheit hatte Höhen und Tiefen.

Aber ist das bei einem US-Senator so verwunderlich? Biden durchlebte eine lange Zeit als Senator eines Regimes, das Menschen nach Hautfarbe trennte, das Menschen wegen ihrer Sexualität diskriminierte und das damals wie heute grausame Kriege führte und führt. Biden steht zwischen den Fronten. Damals wie heute sucht er nach Kompromissen. Auch dann, wenn der Kompromiss zwischen Rassentrennung und Freiheit gemacht wurde.