Rudern

„Bin nicht neidisch auf Fußballer“

Ruder-Olympiasieger Eric Johannesen im großen DIGGER-Interview

Autor: Patrick Berger

Eric Johannesen ist bei den Olympischen Spielen 2012 mit dem Deutschland-Achter zur Goldmedaille gerudert. Im selben Jahr wurde der Bergedorfer zu Hamburgs Sportler des Jahres gewählt. DIGGER sprach mit dem 25-jährigen Ausnahmesportler über ein trockenes Studium, einen Kindheitstraum und den Kampf um Sponsoren.

Eric Johannesen, Sie studieren seit Oktober 2012 in Hamburg Wirtschaftsingenieurswesen. Ziemlich trocken, oder?

Das stimmt. Es ist schon sehr viel Theorie. Was mir aber gefällt: das Studium ist eine Mischung aus BWL und Ingenieurswesen. Man deckt also zwei Bereiche ab.

Wie läuft das Studium zurzeit?

Ich muss sagen, dass ich mir das Ganze neben dem Sport doch ein wenig einfacher vorgestellt habe. Ich muss schon ordentlich reinhauen. Ich studiere ja offiziell auf Teilzeit. Das heißt: ich habe ein paar Kurse weniger. Das Uni-Programm ist quasi um den Sport herumgebaut. Ich bin aber schon sehr oft in der Uni. Nur donnerstags und freitags nicht…

…weil Sie jeden Donnerstag nach Dortmund zum Bundesleistungszentrum pendeln. Sie Studieren in Hamburg, Rudern im Bundesleistungszentrum in Dortmund und beim RC Bergedorf – das klingt nicht gerade nach einem lockeren Leben?

Das nimmt man gerne in Kauf. Für manche ist die Pendelei eine riesige Belastung, für mich nicht. Ich fahre donnerstagabends hin, mitunter bilde ich eine Fahrgemeinschaft mit Max Munski aus Lübeck – da wir die einzigen Ruderer im Norden sind, bietet sich das an. Ich verbringe das ganze Wochenende in Dortmund. Im Jahr gibt es höchstens mal ein oder zwei Wochenenden, an denen wir pausieren können.

Wie sieht der normale Alltag eines Olympiasiegers aus?

Im Leistungszentrum in Dortmund versuchen wir natürlich, so viel wie möglich zu rudern. Im Winter verbringen wir die meiste Zeit auf dem Ergometer. In der Regel sind es aber 25 Stunden Training pro Woche, 200 Kilometer im Boot, 200 Kilometer auf dem Ergometer und die Einheiten im Kraftraum. Wir trainieren zweimal am Tag. In Dortmund sogar dreimal.

Wird auch immer wieder an der Technik gefeilt, oder hat man die mittlerweile raus?

Klar, es gibt immer Kleinigkeiten, die man ändern kann. Im Achter muss eine gewisse Harmonie herrschen, jeder muss mit jedem können. Den perfekten Zustand gibt es nicht, wir streben aber danach.

Schon im Alter von acht Jahren sollen Sie vor TV gesessen und während einer Übertragung der Spiele 1996 von Atlanta gesagt haben: „Ich will mal Olympiasieger werden!“ Stimmt das?

(lacht) Stimmt. Ich habe mit Leichtathletik angefangen und war extrem fasziniert von Frank Busemann (Silbermedaillen-Gewinner bei Olympia 1996 im Zehnkampf und Sportler des Jahre 1996; Anm. d. Red.). Ich wollte so sein wie er und habe davon geträumt, später mal bei Olympia genauso erfolgreich zu sein wie er.

Sie waren sogar noch erfolgreicher als Frank Busemann und haben 2012 in London die Goldmedaille geholt. Wie haben Sie letztlich den Weg vom Zehnkampf zum Rudern gefunden?

Bis zum Alter von 14 Jahren habe ich den Zehnkampf in Nettelndorf ausgeübt. Dann wollte ich was Neues. Aus der Zeitung habe ich vom RC Bergedorf, einem professionellen Ruderverein, erfahren. Da der Spaß gepaart mit dem Leistungsgedanken wichtig war, habe ich mich dem RCB angeschlossen.

Und ein Jahr später schon Deutscher Jugendmeister, mit 16 dann Junioren-Weltmeister. Sind das die Gene ihres Vaters Thomas und ihrer Mutter Doris, die beide erfolgreiche Kanuten waren?

Ich denke, dass die sportlichen Gene schon in gewisser Hinsicht weiterbererbt wurden. Um ein guter Ruderer zu sein, muss man groß sein, das richtige Hebelverhältnis haben und einen starken Körper haben. Mein Vater ist breit gebaut, vielleicht habe ich das von ihm.

2014 ist wieder ein vollbepacktes Kalenderjahr für die Ruderer. Bei der EM ist Belgrad haben Sie die Goldmedaille geholt. Wie sieht die Devise für die WM in Amsterdam aus, die vom 24. bis 31. August stattfinden wird?

Die EM in Belgrad war eine erste Standortbestimmung. Es hat alles super funktioniert. Wir wollen jetzt auch bei der WM ganz vorne landen. Die Goldmedaille ist das Ziel. Wir fühlen uns gut, trainieren auf einem hohen Niveau und haben während der Einheiten viele Bestzeiten geholt.

Persönliches Ziel ist Olympia 2016 in Rio. Mit 28 sind Sie dann ja im besten Alter, oder?

Na klar. London war eine grandiose Sache. Wir Sportler denken ja im Vier-Jahres-Zyklus. Wir richten alles darauf aus. Mein Ziel ist die Teilnahme in Rio – eine Medaille sollte dann wieder drin sein.

Sie meinten einmal, dass Rudern ohne private Sponsoren unmöglich sei. Wie sieht die Förderung in Deutschland aus?

Ich bin unglaublich froh, dass ich meine Sponsoren habe. Ohne die könnte ich das alles vergessen. Neben den Sponsoren gibt es von der Sportförderung etwa 600 Euro, vom Team Hamburg 450 Euro.

Das ist nicht gerade viel. Für Gold bei Olympia 2012 gab es 15000 Euro, die sie in Raten erhalten haben. Zum Vergleich: die deutschen Fußballer würden im Falle des WM-Titels 300.000 Euro bekommen.

Ich habe mich lange mit diesem Metier befasst. Deutschland ist nun einmal eine Fußball-Nation. Von Neid kann man da also nicht sprechen. Die Sponsoren, das viele Geld – das hat sich der Fußball in all den Jahren erarbeitet. Das A und O bei einer Sportart ist eben die TV-Präsenz und das Medienaufkommen.

Wie wichtig ist in dieser Hinsicht das Jahr des Wassersports, das die Stadt Hamburg für 2014 ausgerufen hat?

Sehr wichtig. Die Stadt bekommt für diese Kampagne von allen Seiten Zuspruch. Hamburg steht für den Wassersport, wie keine zweite Stadt. Rudern gehört zum Stadtbild, jeder, der einmal um die Alster gejoggt ist, hat ein Boot gesehen. Die Wirkung nach außen ist wichtig, um unseren Sport noch populärer zu machen. Der EON-Hansecup wird in diesem Jahr wieder im TV übertragen. Die Einschaltquoten sind dabei sogar meist besser als bei den Deutschen Meisterschaften. Das ZDF wird an einem Sonntag live übertragen. Rudern hat großes Potenzial, wir müssen den Sport nur attraktiver gestalten.

Hand aufs Herz, ist es nicht frustrierend, wenn man sieht, was Fußballer im Vergleich zu Ihnen verdienen? Schließlich schuften Sie mindestens genauso viel…

Nein. Ich wollte mit meinem Sport nie reich werden.