Der Olymp der Marktschreier
Moin, Moin Hamburg! Wer auch nach einer langen Nacht auf dem Kiez noch nicht genug von Hamburg hat, der macht es wie Zina Gottfried und Carlotta Niemann. Der perfekte Start in den Katertag ist und bleibt ein Fischbrötchen auf dem Hamburger Fischmarkt.
Autoren: Antonia Carlotta Niemann, Zina Gottfried
Bananen fliegen durch die Luft, eine tiefe Bassstimme dringt durch die Menschenmenge. Eine frische Brise weht uns um die Nasen. Es ist 5 Uhr morgens und statt ins Bett zu gehen, wie üblich, pilgern wir auf den Hamburger Fischmarkt. Dort tummeln sich die Übrig gebliebenen des Hamburger Nachtlebens, die Frühaufsteher unter den Touris und die Stammkunden. Es ist einer der Hotspots und aktivsten Sinnbilder Hamburgs. Direkt an den Landungsbrücken befindet sich der Hamburger Fischmarkt, auf den es die Besucher jeden Sonntag zu frühen Stunden zieht. Die Marktschreier kennen sie alle: "Wenn die Schicht losgeht, muss man erst mal Unterhaltung schaffen für die ganzen beschwippsten Liseln. Die locken dann die zahlenden Männer an.“ witzelt ein Marktschreier einem Besucher zu. Das ist die Masche am frühen Morgen. Es ist das Ziel vieler Nachteulen, sich nun verköstigen zu lassen. Wir genehmigen uns sogar noch einen kleinen Absacker. Auf der ganzen Welt ist der Fischmarkt bekannt. Wer zu Besuch in Hamburg ist, für den ist ein Besuch auf diesem XXL-Wochenmarkt ein Muss. "Die Touris, ja die haben ne dicke Börse. Die haben Spendierhosen an!"
"Ich hab auch viele Kunden, die fast jeden Sonntag herkommen. Meist sind das die Großmütter. Die lieben das, was hier los ist." Die Stammkunden bestehen aber nicht nur aus Omis. Jeder, der diese maritime Atmosphäre liebt und die frischen Lebensmittel und anderen Spezialitäten zu schätzen weiß, der ist hier genau richtig und den zieht es Woche um Woche wieder an den Hamburger Hafen.
Das große Krabbenshoppen
Die Lautesten, die Schlagfertigsten, die Hartnäckigsten. Es ist der Olymp der Marktschreier und jeden Sonntag wird er aufs Neue erklommen. Im Schnitt verkaufen 300 Händler wöchentlich ihre Waren auf dem Fischmarkt, 60 Prozent davon sind Stammhändler, sie gehören quasi zum Inventar. Sie verkaufen alles, was das Herz begehrt: natürlich Fisch, frisches Obst und Gemüse, Brot und süßes Gebäck findet man auch und viele, viele andere Lebensmittel. Sogar Kleintiere und Drahtesel werden hier verkauft. Der typische Obstkorb lässt sich mit einem netten Lächeln auch schon mal auf zwei Euro herunterhandeln. Munteres Handeln lässt sich beobachten. Die "Rappos", so werden die Marktschreier hier genannt, kriegen alles über ihre Theken und dabei wird keiner über den Tisch gezogen. Jeder Hamburger ist stolz und jeden nicht Hamburger zieht diese Show in seinen Bann.
Es ist mittlerweile halb sieben Morgens und der von morgendlichen Elan bedeckte Fischmarkt beginnt sich für die zweite Runde frisch zu machen. Noch mehr Besucher trudeln ein.
Das Hamburger Schlaraffenland ist in den Sommermonaten Gastgeber von bis zu 70.000 Besuchern und begierigen Käufern. Die ca. 20.000 m² große Verkaufsfläche bietet aber nicht nur Essen und Trinken. Auch für die eigenen vier Wände lässt sich etwas finden. Als wir uns der Fischauktionshalle nähern, dringt uns schon ein süßer Duft entgegen, beinahe etwas orientalisch. Um die Ecke, erblicken wir ein buntes Meer aus Blumen der wohl prächtigsten Sorte. Rosen, Tulpen, Hyazinten, der Blumenstand bringt Frische und Farbe in den Wochenmarkt. Selbst für die neugewonnene Liebe der letzten Nacht gibt es eine Rose.
Gegenüber steht ein gackernder Händler mit seinen schnatternden Hühnern. Mit ihrem Gefieder und aufgeregtem Geschnatter bringen sie noch einmal Schwung in die Menge. Und der Händler, der seine Schützlinge mittlerweile sehr gut imitieren kann, zaubert Grinsen auf die Gesichter der Umstehenden.
Da schluckt der Fisch den Kater
Es ist der Partyhotspot des Fischmarktes: in der Fischauktionshalle geht das bunte Treiben weiter. Die Band gibt auf der Bühne alles und spielt eine alte Kamelle nach der anderen, wie „Auf der Reeperbahn Nachts um halb Eins “ von Hans Albers. Das letzte Bier wird sich hier noch einverleibt. Die Glücklichen ohne Schwielen an den Füßen, schwingen auch noch oder schon wieder das Tanzbein. Auch wir mischen uns unter die Menge und gewinnen durch die überragende Stimmung noch einmal an neuen Lebensgeistern. Es steckt einfach an. Marktbesucher jeder Altersgruppe finden sich hier wieder, klönen, trinken und lassen den Sonntagmorgen anklingen.
Die Sonne scheint mittlerweile in ihrer vollen Pracht, die ersten Barkassen führen schon ihre Gäste aus. Wir treffen eine Gruppe junger Leute auf einem Steg der Landungsbrücken. Mit müdem aber zufriedenem Gesicht sagt ein Mädchen: „Es gibt nichts Schöneres, als sich jetzt noch einmal an den Steg zu legen und die Sonne zu genießen. Die Gefahr ist zwar einzuschlafen aber wir sind in Hamburg, da ist man überall zu Hause!“ Einschlafen kann tatsächlich unangenehm werden. Die Polizisten der Davidwache schnacken (ein beliebtes Wort auf dem Hamburger Fischmarkt) nicht lange mit Trunkenbolden, die sich einem zu langes Nickerchen um oder auf dem Fischmarkt hingeben. Nicht jedes Geschöpf der Nacht hält diesen Marathon durch. Wer abknickt, wird prompt aussortiert. Das ist wohl das wahrlich Einzigartige an diesem Riesenwochenmarkt. Es ist Kult, dass die Clubbesucher sich hier Treffen. Ihren Brand löschen und über die Nacht philosophieren. Nirgendwo sonst gehen junge Erwachsene nach einer durchzechten Nacht auf einen Wochenmarkt.
Als wir auf die Uhr schauen, ist es mittlerweile zehn Uhr und wir entschließen uns, eine letzte Runde über den Fischmarkt zu drehen. Auch fünf Stunden später trifft man die Rappos noch hochmotiviert und mit einem lockerem Spruch auf den Lippen an. „Ihr seid ja immer noch auf den Beinen, Mädels!“ ruft uns ein rundlicher und herzlicher Marktschreier zu und drückt uns jedem ein mit frischen Fisch belegtes Brötchen in die Hand. Die nordische und herzliche Art findet man hier einfach an jeder Ecke. Von dem schmackhaften Fisch mal ganz abgesehen. Einen Besuch ist es allemal wert. Von den Eindrücken beseelt und gut gesättigt, geht es für uns aber jetzt erst einmal ab ins Bett.
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