Der sportliche Dreier
Es ist ein Wettkampf, der drei Sportarten in sich vereint und die Menschen begeistert. Triathlon ist ein moderner Multisport, der durch seine Vielseitigkeit besticht. DIGGER-Reporter Nils Iwersen erlebte beim Vierlanden-Triathlon, warum der Sport so sehr beeindruckt.
Autor: Nils Iwersen
Der Hohendeicher See liegt am Rand von Hamburg. Dort im Stadtteil Ochsenwerder findet jährlich der Vierlanden-Triathlon statt. Anfang Juni zog es zum 19. Mal ein Heer von Triathleten ans Gewässer hinter dem Overwerder Deich. Dort nehmen nicht nur professionelle Sportler teil, sondern jedermann. Bei diesem Ereignis werden nicht nur Profisportler von den Fans am Rande bejubelt, sondern auch Freunde und Familienmitglieder die Begeisterung zu spüren bekommen. Die Fans feiern die Athleten mit Kuhglocken und Tröten, es wird richtig Lärm gemacht, um die Sportler anzufeuern.
Das Wasser im See ist zu Beginn ruhig. Die Triathleten stehen an der Badestelle bereit, um gleich ins Wasser zu springen. Es sind große und kleine, dicke und dünne Athleten dabei. Jeder hat sich einen Neoprenanzug angezogen, denn die Wassertemperatur beträgt 15 Grad. Dann wird von zehn bis null runtergezählt vom Wettkampfleiter. Der Startschuss ertönt und plötzlich wird das Wasser des Sees aufgewirbelt, es spritzt überall. Wie in einer Waschmaschine in einem Schleudergang müssen sich die Triathleten fühlen. Die Schwimmer sind im Wasser so nah beieinander, dass die Athleten bei den Positionskämpfen Hände und Füße nutzen, um sich Luft zu verschaffen. Schläge und Tritte werden ausgeteilt. Der Kampf um den Sieg beginnt beim Start mit allen Mitteln.
Der moderne Multisport
Vor fast 100 Jahren sprangen die Begründer der Sportart noch in die Marne. In Frankreich wurden die ersten Triathlon-Wettkämpfe veranstaltet. Damals war es ein kleines Hobby-Event, über das nicht viel berichtet wurde. Erst als der moderne Multisport in den 1970er Jahren durch zwei Amerikaner zu einer professionellen Sportart wurde, begann er seinen Siegeszug, der mit der Aufnahme 1994 ins olympische Programm seinen Höhepunkt fand. Heute fasziniert die vielseitige Sportart die Menschen auf der ganzen Welt. Das Schwimmen in Kombination mit Radfahren und Laufen ist die absolute Härteprüfung für jeden Sportler. Besonders in Hamburg ist Triathlon eine anziehende Sportart. Nicht ohne Grund veranstaltet die Hansestadt mit dem jährlichen Hamburg-Triathlon den Größten der Welt. Dass in Hamburg der Triathlon ein sehenswertes Spektakel ist, beobachten die Zuschauer beim Vierlanden-Triathlon. Die Trilogie, ist eine Abwechslung, die kein anderer Sport bietet. Wohl auch aus diesem Grund zieht solch ein Spektakel, so viele Zuschauer an, die die Athleten mit ganzer Kraft anfeuern.
Auch am Hohendeicher See jubeln die Fans den Sportlern zu als sie aus dem Wasser auftauchen. Am Ufer der Badestelle tropft das Waser von ihnen hinunter. Die Athleten öffnen den Reißverschluss ihres Neoprenanzugs und holen sich in der Wechselzone ihr Rad. Nur wenige Schritte schieben sie ihr Fahrrad an und schwingen sich drauf. Schnell rattern sie über den Overwerder Deich mit ihren Bikes und die Fans sehen die Räder an sich vorbeirauschen.
Das Leben im Moment
Unter den Athleten, die mit an den Fans vorbeirasen, ist Golo Röhrken. Der 26- jährige betreibt die Sportart schon seit zehn Jahren. Durch einen Freund kam der Hamburger zuerst zum Radfahren und wollte dann mehr. Bald bestritt er dann seinen ersten Triathlon und wurde vom Triathlon-Fieber angesteckt. Ein Anreiz ist es für ihn, seinen Körper auszutesten und auszureizen. Im Wettkampf lebt er den Moment. „Schau nicht nach vorn, schau nicht zurück, lebe im jetzt, das macht für mich die Faszination Triathlon aus.“, erzählt der Medizinstudent. Für seine Wettkämpfe trainiert er zehn bis 15 Stunden pro Woche, dabei setzt Röhrken auf Qualität als auf Quantität. „Es hat wenig Sinn, enorme Umfänge zu schrubben, wenn nicht auch die richtigen Belastungsspitzen gesetzt werden“, erläutert er, „Ich trainiere nicht, wenn ich müde bin. Sonst wäre die Verletzungsgefahr zu hoch.“ In der Gegenwart tritt er für sein Tri Team Hamburg in die Pedale und jagt den Gegnern hinterher. Konzentriert wirkt er auf seinem Rad und mit einem lauten Brummen fährt er an den jubelnden Fans vorbei.
Doch einen will jeder Triathlonverrückte bei diesem Vierlanden-Triathlon sehen. Als er von seinem Rad steigt und auf die Laufstrecke geht, wird Andreas Raelert besonders beäugt von den Menschen an der Strecke. Denn er ist einer der besten der deutschen Triathleten und hält über die Langstrecke den Weltrekord. Der 37-Jährige, der beim Vierlanden-Triathlon für das TriTeam triZack Rostock in der Regionalliga startet, läuft als zweiter auf die Laufstrecke, die entlang des Sees verläuft. Er ist einer der besten Läufer auf dem engen Kurs, an dessen Rand die Zuschauer stehen.
In der Regionalliga läuft er zu Trainingszwecken, denn eigentlich läuft er lieber über die Langstrecke, die bei den Ironman-Wettkämpfen gelaufen wird. Dort ist einer der besten Deutschen seiner Zunft. Vor allem bei der Weltmeisterschaft des Ironman auf Hawaii schaffte er es zwischen 2009 und 2012 aufs Podium. Auf die Inselgruppe im Pazifik fährt Raelert immer gerne. „Es ist eine Herausforderung, sich dort mit den besten der Welt zu messen“, berichtet er, „vor allem unter diesen extremen Wettkampfbedingungen.“ Das Maximale aus sich herauszuholen, ist für Raelert der Ansporn diese Sportart zu betreiben. Für ihn ist Triathlon „das moderne Abenteuer“ im Sport. Der gebürtige Rostocker gilt als eines der Idole der deutschen Triathlonszene und steckte schon viele Menschen an die Sportart auszuüben.
Das Abenteuer Hawaii ist der härteste Triathlon der Welt. Es zieht nicht nur Raelert dorthin, auch Golo Röhrken hat das Ziel in Hawaii dabei zu sein. Beim spektakulärsten Ironman geht es über 3,86 Kilometer durch die Wellen des Pazifiks, dann 180,2 Kilometer über die Lavafelder von Hawaii, bis am Ende der Marathon (42,195 Kilometer) über die Insel angetreten wird. Danach sind die Athleten froh, die unmenschlichen Temperaturen von teils über 40° Celsius und die lange Distanz des Ironman besiegt zu haben. Der Mythos, der sich um diesen Triathlon rankt, begeistert jeden Sportler. Die Wetterbedingungen, wie etwa die Hitze oder die starken bis zu 90 Stundenkilometer schnellen Winde auf der Insel, und die spannenden Wettbewerbe in der Geschichte des Ironman auf Hawaii, wie zum Beispiel dem Ironwar 1989, wirken anziehend auf die Athleten. Denn 1989 gab es ein bis zum Schluss umkämpftes Kopf-an-Kopf-Rennen, das erst am letzten Anstieg entschieden wurde. Das spornt auch Röhrken an, diesen Wettkampf zu erreichen. „Es ist einfach der ultimative Wettkampf“, erläutert er sein Ziel. Aber auch, weil es die Weltmeisterschaft ist, haben viele Triathleten das Ziel „Ironman Hawaii“ vor Augen.
Kampf bis ans Limit
Den Regionalliga-Wettkampf beim Vierlanden-Triathlon gewinnt Raelert am Ende souverän. Schon auf den ersten hundert Metern hatte er seinen Gegner, der nach dem Radfahren vor ihm war, überholt und lief dem Sieg entgegen. Für ihn war das Rennen über die olympische Distanz auch ein Kampf mit dem Verstand. „Beim Triathlon wird vieles im Kopf entschieden“, erklärte Raelert nach dem Wettkampf. Für ihn sei es eine Kunst, die sich über die Wettkämpfe entwickelt, über die Schmerzgrenze hinauszugehen. Das ist es auch, was für ihn den Wettkampf ausmacht. Ein Limit, das auch Röhrken sehr gut kennt. Denn für ihn besteht der Reiz der Sportart, dass er bis an seine Grenzen gehen muss, um zu bestehen. Das ist es, was seinen Ehrgeiz antreibt. Auch die Amateursportler erzählten, „ die Spannung bestehe darin, sich die Körner genau einzuteilen“. Sie hatten am Ende wohl kaum noch welche, denn einige von Ihnen standen erst nach Minuten vom Boden auf.
Beim Sieg von Raelert kämpfte Röhrken um jeden Zentimeter und belegte am Ende den 15. Platz in einem starken Teilnehmerfeld mit 86 Athleten. Erschöpft aber zufrieden lag er nach dem Zieleinlauf schwitzend im Gras und wusste, dass es noch ein harter Weg ist, um seinen Traum zu verwirklichen. Genauso wie viele andere Athleten, die nach dem Rennen erschöpft auf den Rasen gingen. Am Ende räumen sie ihre Wechselzone auf, packen ihre Sachen und rollen ihre Fahrräder erschöpft zu ihren Autos. Alles wird mit einem zufriedenen Lächeln absolviert. Einige reden mit ihren Teamkameraden noch über die Schwierigkeiten der Strecke. Andere trinken ihr Bier und prosten sich zufrieden zu. Im Hintergrund hört man die Kuhglocken der Zuschauer läuten, die auch den letzten Läufer noch beim Zieleinlauf bejubeln. Der See hat sich wieder beruhigt.
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