Schulschwimmen

Nichtschwimmerstadt Hamburg

Hamburgs Kinder sind nicht wasserfit – auch nicht nach dem Schulschwimmen.

Autor: Anja-Katharina Riesterer

Es ist der Alptraum aller Eltern: das Kind kommt nicht mehr vom Badeausflug zurück, weil es ertrunken ist.

In Hamburg ist dieser Alptraum schon Wirklichkeit geworden. Die Nichtschwimmerquote in städtischen Grundschulen ist hoch, in Rothenburgsort liegt sie bei 88 Prozent. Der Senat will Abhilfe schaffen.

Die kleine Suri steht am Beckenrand und lässt die Arme kreisen wie eine Windmühle. Die Trainerin biegt ihre Ärmchen gerade. Als sie es richtig macht, darf sie im Wasser weiter die Kraultechnik üben.

Erst zugucken, dann nachmachen. Suri (5) ist besonders aufmerksam.


Suri ist fünf Jahre alt und bereits auf Bronze-Niveau, macht also bald das erste große Jugendschwimmabzeichen. Völlig normal, findet Schwimmtrainerin Britta Fürstenwerth. „Wenn Kinder früh ans Wasser gewöhnt werden, sind sie von den Fähigkeiten schnell soweit.“ Sie gibt seit 30 Jahren Unterricht und hat die Schwimmschule „Oktopus“ gegründet. Ihre Gruppen sind voll, die Kinder mit Begeisterung dabei.
Doch das ist nicht überall so, denn in der Stadt können fast 50 Prozent der Kinder nicht schwimmen. Wasserstadt Hamburg? Offenbar nicht.

Erst 2012 ertrank die Vierzehnjährige Karin in Allermöhe. Sie war Nichtschwimmerin, hatte sich ins tiefe Wasser gewagt und es dann nicht mehr ans Ufer geschafft.

Wie kann das passieren?

Schwimmen in Hamburg ist teuer, zwölf Einheiten kosten für Kinder durchschnittlich 100 Euro. „Bei diesen Preisen haben bestimmte Schichten einfach keine Chance.“, sagt Britta Fürstenwerth. Das spiegelt sich auch in den Statistiken wider.

Schwimmerquote in zwei Schulen mit unterschiedlicher sozialer Stellung
Schwimmerquote in zwei Schulen mit unterschiedlicher sozialer Stellung

Aus einer Antwort des Senats auf die Anfrage der Abgeordneten Martina Kaesbach (FDP) vom 22. April 2014 geht hervor, dass im feineren Wellingsbüttel der Schwimmunterricht schon fast nicht mehr nötig wäre, da 94 Prozent der Grundschüler vor der Einschulung schwimmen können. Anders in Rothenburgsort: hier liegt die Schwimmerquote vorher bei knappen zwölf Prozent, auch nach der Grundschulzeit sind es gerade einmal 40 Prozent.

Das Schulschwimmen startet in Hamburg ab Klasse drei oder vier, bis zur sechsten Klasse wird insgesamt ein Jahr unterrichtet. Für die Stunden ist das Bäderland als Betreiber der öffentlichen Schwimmbäder verantwortlich. Der Weg von der Schule zu den Schwimmhallen ist manchmal lang, weshalb weshalb ein Start ab Klasse eins nicht möglich ist. Expertin Fürstenwerth bemängelt: „Wenn ein Kind erst mit neun Jahren schwimmen lernt und erst mal zusammenzuckt, sobald es einen Fuß ins Wasser setzt, bekommt man diese Angst nur schwer wieder weg. Es braucht mehr als sechs Monate, bis ein Kind sicher schwimmt!“

Zahl der Nichtschwimmer nach Schwimmunterricht
Zahl der Nichtschwimmer nach Schwimmunterricht

Die Schulbehörde reagiert

Ein Problem, das jetzt gelöst werden soll: ab dem kommenden Schuljahr steigen die Ausgaben fürs Schulschwimmen von 4,04 auf 4,65 Millionen Euro jährlich, es wird ab der dritten Klasse ein ganzes Jahr unterrichtet. Mehr Betreuungspersonen sind dann für die Schüler da, mit dem Projekt „Wasser entdecken“ sollen die Ängstlichen besonders gefördert werden.

Mindestens 95 Prozent einer Klasse sollen laut Schulsenator Thies Rabe (SPD) hinterher das „Seepferdchen und 70 Prozent das Jugendschwimmabzeichen absolviert haben.“

Jetzt wird Tauchen geübt! Ein Oktopus-Mitarbeiter bereitet Tom (6) auf das Seepferdchen vor.

Noch lange nicht am Ziel

Was beeindruckend klingt, ist laut Heiko Mählmann von der DLRG Hamburg utopisch: „So bald werden wir diese Zahlen nicht erreichen können.“ Zudem sei das Seepferdchen ein reines Motivationsabzeichen und mache kein Kind zum sicheren Schwimmer.

Britta Fürstenwerth zweifelt an der Unterrichtsqualität im Bäderland: „Auch wenn ich von den fachlichen Voraussetzungen der Trainer überzeugt bin, kennen sie die Klassen nicht. Wenn dann drei Jungs mit blauer Badehose auf der Bank sitzen, kann schon mal verwechselt werden, welcher gerade erfolgreich getaucht ist, und wer noch üben muss.“

Fürstenwerth und Mählmann bevorzugen eine andere Lösung: Schwimmunterricht müsste schon in der Vorschule stattfinden, zur spielerischen Gewöhnung ans Wasser. Auf diese Erfahrung kann dann in der Grundschule aufgebaut werden – „am besten ab Klasse eins!“

Übungen mit Schwimmschlange